5 1/2 Wochen
mich über das Wiedersehen dieser beiden Menschen, die ich erst seit gestern kenne, freue. Sie sind aber auch wirklich die Liebenswürdigkeit in Person. Panik steigt bei ihnen auf, als sie Ruddi unterm Tisch vermuten und ihn dort nicht entdecken können. Entsetzt erkundigen sie sich danach, wo er denn sei. Ich zeige auf die Tasche, die zwischen mir und Hermann auf dem Boden steht. Franz-Josef schmeißt sich über meinen Schoß und nimmt sich die Tasche auf denselben. Er macht sie vorsichtig auf und dann bekommt der müde vierbeinige Wanderer für den Rest des Abends Streicheleinheiten ohne Ende. Lachend erzählen wir uns die Widrigkeiten des Tages und Franz-Josef fragt: „Hast Du das Gemälde von Ruddi im Schnee gesehen?“ Er hat also an uns gedacht, als er mitten im größten Dreck stand und eigentlich mit sich selbst mehr als genug zu tun hatte.
Wir bleiben alle zusammen bis das Restaurant schließt. Hermann zahlt meine Makkaroni und die Runde, die ich schmeißen wollte, mit und sagt: „Ich lade Dich morgen richtig zum Essen ein. Heute war das ja wohl nix.“ Er ist der Meinung: „Die paar Nudeln sind doch kein Menü und außerdem haben wir noch nicht einmal zusammen gegessen. Meine Einladung sieht anders aus.“
Jeder verschwindet in seiner Herberge und ich im Hotel. Ich gehe sofort schlafen. Heute darf Ruddi ausnahmsweise mal - in seine Decke gewickelt - im Bett schlafen. Das hat er sich redlich verdient. Er hat sich wirklich vorbildlich benommen. So kenne ich ihn, aber für ihn ist das doch alles neu und so anders als sein bisheriges Leben. Insgeheim genieße ich die Kuscheleinheiten noch mehr als er.
Heute ist es wie gestern: Man denkt kurz vor dem Erreichen des Tagesziels, es geht nicht mehr - ist fix und fertig mit sich und der Welt. Aber spätestens nach dem Duschen, ergreifen einen ein unglaubliches Glücksgefühl und der Stolz, es geschafft zu haben.
Donnerstag, 17.April 2008
Roncesvalles (50 Einwohner), 960 m ÜdM, Navarreser Pyrenäen
3. Etappe bis Zubiri, 21,8 km
Als ich wach werde, habe ich das Gefühl, mich hätte eins der Pferde von gestern getreten. Ich bin zwar nur 160 Zentimeter groß, aber wenn die komplett wehtun, ist das ne Menge. Mal überlegen, wie komme ich am besten in Gang? Ach ja, ich habe doch das Gel gegen Muskelschmerz dabei. Das einzige „Medikament“ in meinem Rucksack. Ich reibe meine Beine damit ein und glaube fest daran, dass es sofort wirkt. Funktioniert immer - auch ohne Gel!
Ruddi ist voller Tatendrang, nachdem er sein Frühstück vertilgt hat. Meine sieben Sachen habe ich schnell eingepackt und wir gehen runter zum Frühstück. Das heißt, ich gehe - Ruddi wird von mir in seiner Tasche getragen. Ein bisschen Geduld muss er noch aufbringen, bis er sich frei bewegen kann. Bis jetzt hat ihn niemand der Hotelangestellten entdeckt. Dabei soll es auch bleiben. Die Nacht ist zwar rum - was kann schon passieren? Aber man soll „schlafende Hunde“ ja bekanntlich nicht wecken.
Gegen 8.30 Uhr treffe ich im noblen Frühstücksraum des Hotels Hermann. Er erzählt von seiner Nacht in dem riesigen 120-Betten-Saal im Kloster: „Einerseits beneide ich Dich um das Hotelzimmer, das Du für Dich alleine hattest, andererseits war die Nacht ein einmaliges Erlebnis. In dem riesigen Saal des mittelalterlichen Klosters herrscht eine besondere Atmosphäre. Eben wurden wir durch Orgelmusik geweckt. Auch wenn in der Nacht mit bestimmt 100 Personen keine wirkliche Ruhe aufkam, muss man das mal erlebt haben“, berichtet er.
„Jede Nacht brauche ich die Geräusche, die so viele Menschen machen, allerdings auch nicht. Ich werde wohl ebenfalls ab und zu in einer Pension übernachten.“
Gut gestärkt - es gab sogar Käse zum Brot - machen wir uns gegen 9.30 Uhr auf den Weg. Hermann hat seinen Rucksack nach Zubiri vorgeschickt. Dahin müssen wir also heute auf jeden Fall laufen, egal was passiert. Seine Schultern sind lädiert. Trotzdem will er Ruddi in der Hundetasche, die man auch auf dem Rücken tragen kann, transportieren, weil es fürchterlich regnet. Ich halte das nicht für nötig. Zuhause läuft mein Hund, wenn es so auskommt, notgedrungen durch den Regen. Ich habe Schnurzel vor acht Jahren, als wir uns kennen gelernt haben versprochen, ihn, soweit es mir möglich ist, Hund sein zu lassen. Das bedeutet für mich unter anderem:
1. So oft wie nur möglich ohne Leine laufen.
2. Er bekommt Hundefutter - kein Menschenessen! Okay, ab und zu mal einen kleinen Rest.
3. Solange er
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