5 1/2 Wochen
sich zivilisiert benimmt, hat er viele Treffen mit seinen Kumpels.
4. Ich werde ihm niemals einen Regenmantel anziehen - er hat ja schließlich seinen ureigenen Regen- und Wetterschutz als Hund.
Und wie durch ein Wunder hat er es bis heute überlebt - ist noch nicht einmal krank gewesen. Hermann besteht allerdings darauf, dass das hier eine andere Situation ist: „Der Hund ist mit uns acht bis neun Stunden am Tag unterwegs. Außerdem ist es ziemlich kalt hier oben. Ruddi kommt nicht nach einer Stunde nach Hause ins warme Wohnzimmer auf die Couch zum Trocknen. Wenn er krank wird, kannst Du den Camino vergessen“. Von der Seite habe ich das noch nicht betrachtet und muss ihm recht geben. Ich setze allerdings entgegen, dass das seiner Schulter nicht gut tut und ich meinen Vierbeiner unter dem Poncho in seinem Notfallnetz tragen will. So bleibt er auch trocken und warm.
Hermann erwidert: „Die sechs Kilo machen mir nichts aus. Mein Rucksack wiegt siebzehn.“ Ich denke: „17 Kilo? Ob der meine Münchner Mädels kennt?“ Na ja, da will ich in diesem Moment nicht näher drauf eingehen. Ich verleihe meiner Dankbarkeit Ausdruck. Da Ruddi Wasser hasst, springt er gerne wieder in sein rettendes Hundehäuschen und fühlt sich bestimmt wie ein Prinz in einer Sänfte.
Wir verlassen das Hotel, überqueren die Landstraße und stehen vor einem riesigen Hinweisschild für Autofahrer. Ich bin davon überzeugt, dass es da steht, um Pilger zu erschrecken: SANTIAGO DE COMPOSTELA 790 KM. Na, das geht doch noch - vorne steht keine Acht. Gott sei Dank setzt mein Gehirn diese Information nicht wirklich um. Damit wäre ich dann auch überfordert. Ich bekomme nur die Mitteilung aus meinem Kopf: „Du hast noch 34 bis 35 Tage Zeit. Lauf täglich so um die 22 Kilometer, dann bist Du am 20. oder 21. Mai am Ziel.“ Na toll! Die ersten beiden Etappen waren zusammen nur 25 Kilometer. Also muss ich den Durchschnitt erhöhen. „Bleib ruhig. Es sind die ersten Tage. Irgendwann kommen leichter zu bewältigende Streckenabschnitte. Zur richtigen Zeit holst Du das wieder rein“, flüstert mir meine innere Stimme zu. „Du hattest Dir doch fest vorgenommen, diese außergewöhnliche körperliche Anstrengung langsam angehen zu lassen, um Deinem Körper die Chance zu geben, sich an das Gehen und das Gewicht des Rucksacks gewöhnen zu können.“
Also, weiter geht’s! Auf einem Trampelpfad neben der Landstraße beginnen wir die heutige Etappe. Es gilt, fast 22 Kilometer zu gehen. Wir sind noch sehr ungeübt im „Camino-Wegweiser-Lesen“ und verlaufen uns zuerst einmal. Der Weg wird zusehends schlechter, wir gehen immer wieder durch das Gebüsch, weil der Pfad so schlammig ist, dass man ihn nicht benutzen kann. Ich hätte besser ein Buschmesser in den Rucksack gepackt. Jetzt schlittern wir auch noch über eine glitschige Wiese, steigen über kleine Abgrenzungen zwischen den Feldern oder Weiden, passieren ein Tor, das wir sorgfältig wieder verschließen und sind nun auf einem breiten Weg gelandet, der uns Hoffnung gibt. Dieser Weg symbolisiert endlich wieder Zivilisation. Es bleibt das Gefühl, sich verlaufen zu haben.
Wir wundern uns über die Aussicht auf einen kleinen Ort mit großen, alten Gebäuden. Das nächste Dorf ist laut Wanderführer drei Kilometer entfernt, soweit sind wir noch gar nicht gelaufen! Langsam dämmert es uns: Das darf doch nicht wahr sein! Wir haben einen tollen Blick auf das jetzt wieder vor uns liegende Roncesvalles. Wir haben also einen Rundgang gemacht. Ist zwar schön anzusehen, aber nicht das, was wir erreichen wollten.
Wir gehen den beschwerlichen Weg nur äußerlich entspannt zurück und stoßen nach zirka insgesamt drei Kilometern zusätzlich endlich auf den Camino Francés. Durch die Eichen- und Buchenwälder lässt es sich angenehm laufen. Von sehr starkem Regen begleitet erreichen wir nach gut zehn statt sieben Kilometern den kleinen Ort Espinal. Auf dem „richtigen Weg“ entdeckt man immer wieder Hinweise in Gelb oder (noch) Weiß-Rot.
Wir sind erschöpft und suchen eine auf Plakaten angepriesene Bar auf, die allerdings etwas abseits vom Camino liegt. Drinnen sitzen vier Spanierinnen am Tisch. Wir stolpern mit einem fröhlichen „Hola“ an den Tisch neben ihnen. Sie grüßen freundlich zurück und lassen sich nicht weiter beim Mittagessen und ihrer angeregten Unterhaltung stören.
Die Regenkleidung, die wir abgelegt haben, hinterlässt kleine Pfützen auf dem Boden. Hermann besorgt uns „Café con
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