5 1/2 Wochen
überhaupt ein Auge zu in diesem Loch? Ach egal, ich bleibe! Es ist ja nur für eine Nacht. Ich lege meinen Rucksack auf das Bett und gehe mit der Señorita wieder runter. Ich brauche jetzt erst mal was Heißes zu trinken.
Im Gastraum haben sich einige Pilger niedergelassen. Auch hier setzt sich der Stil des Eingangsbereichs und Zimmers fort. Ich friere. Und dieser Raum kann daran nichts ändern. Das Haus ist alt und hat wahrscheinlich keine Heizung. Der Kamin neben dem Tisch, an dem ich Platz genommen habe, ist zwar voller Asche, aber kalt und duster. Etwas unglücklich und trotzdem zufrieden, dass ich endlich sitzen darf, trinke ich den heißen Kaffee. Ruddi liegt auf meinem Schoß und gibt mir von seiner Wärme ab.
Plötzlich wird die Tür zum Schankraum heftig aufgestoßen und ein Riese stapft herein. Schnell ist klar, dass es sich um den Wirt handelt. Er hat große Holzscheite unterm Arm und schmeißt sie lieblos und polternd vor den Kamin beziehungsweise meine Füße. Vor Schreck entfährt Ruddi ein kurzer Beller. Wir wissen beide sofort, dass das keine gute Idee war. Angeekelt raunzt der Mann mich auf Spanisch an. Er lässt keinen Zweifel daran, dass er Hunde unter keinen Umständen duldet. Er zeigt Richtung Tür. Will der mich etwa rausschmeißen? Da ich sitzen bleiben will, muss ich das ignorieren, lo siento!
Ich versuche es auf die lustige Art - hat ja schon ein paarmal geklappt. Ich beuge mich also sitzend nach vorne um Ruddi zu verdecken. Der bewegt sich keinen Millimeter mehr. Ich stütze meine Arme salopp auf den Tisch, versuche ein komödiantisches Bild in seinem Kopf entstehen zu lassen und sage: „Perro? No perro!“ Theatralisch schaue ich mich suchend um und unter die Möbel, zucke mit den Schultern, habe Fragezeichen in den Augen. Unübersehbar nehme ich die Kaffeetasse zwischen beide Hände, damit er auch wahrnimmt, dass ich was verzehre und nicht einfach nur dumm rumsitze. „Hm, qué rico (wie lecker)!“ Vornehm schlürfend nehme ich ein paar heiße Schlucke und lächle ihn an, obwohl ich ein bisschen Angst vor ihm habe. Alleine im Dunkeln möchte ich diesem Koloss nicht begegnen.
Er stimmt nicht wirklich zu, beschäftigt sich aber mit dem Holz, dass er nun in den Kamin wirft. Und er schimpft und schimpft. Wenn er zu mir rüber guckt, lächle ich so gut ich kann und bete, dass er sich beruhigen mag. Er macht Handzeichen, die mir bedeuten, dass er Hunden im Allgemeinen am liebsten den Hals umdrehen würde. Hilfe! Was soll ich bloß machen? Ich stell mich doof, tue so, als ob er mir einen Witz erzählt hätte und fange laut an zu lachen. Ich beschließe, ab jetzt kein einziges spanisches Wort mehr zu verstehen. Er schimpft und schimpft.
Gerade als ich überlege, wie ich an meinen Rucksack komme, um zu flüchten, betreten frisch geduscht und gestylt meine vier Österreicher die Szene. Klasse! Wie bestellt! Wenn ich sie brauche sind sie da! Ich fühle mich sofort gerettet. „So, Freundchen, was jetzt? Wir sind jetzt zu fünft! Da guckst du, ne?“ denke ich - das würde ich zu diesem Zeitpunkt nicht aussprechen. Meine Freude ist unbändig und ich drücke sie auch deutlich aus. Ich lasse einen Jauchzer ertönen und fuchtele aufgeregt mit den Armen herum: „Heeeiii, wie schön, daß wir uns wiedersehen!“ Es ist ein großes Hallo, als sie mich entdecken. Schnell bemerken sie meine Verzweiflung. Sie setzen sich an meinen Tisch und ich gebe ihnen durch einige Zeichen zu verstehen, was hier gerade passiert. Karoline und Heinz fangen an zu lachen: „Der tut nur so! Er hat ´nen kleinen Haschmich, aber in Wirklichkeit ist er herzensgut. Heinz und Luigi haben sich vorhin ein bisschen mit ihm unterhalten. Mach Dir keinen Kopf!“ Nichts glaubte ich lieber, als das. Skeptisch schau ich zu ihm rüber. Wirklich? Sie sind meine Pilgerfreunde. Die müssen sich sicher sein, dass der nur spielen will sonst würden sie anders reagieren. So gut kenne ich sie mittlerweile.
Tatsächlich kann ich mich auf eine ungezwungene Unterhaltung über die letzten Pilger-Erlebnisse einlassen. Wir haben wieder viel zu lachen und zu staunen, was einem so alles passieren kann. Endlich hat der Riese den Kamin angefeuert und so langsam breitet sich eine wohlige Wärme aus. Die lodernden Flammen lassen den Raum in einem ganz anderen Licht erscheinen. Ohne meinen Hund noch eines Blickes zu würdigen, verschwindet der große Mann mit genauso viel Gepolter wie er gekommen ist. Zu meiner Überraschung wirft er - mit
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