5 1/2 Wochen
ist das, was ich denke! Ich halte die Luft an! Jetzt kommt zum Rumpeln in unregelmäßigen Abständen ein Seufzer hinzu. Stille! Na, dann gute Nacht, Freunde! Ich hoffe, bei euch ist alles in Ordnung. Oder braucht ihr Hilfe? Kurz drauf geben sie aber nochmal so richtig Gas. Was jetzt passiert, muss der Höhepunkt sein. Das Bett haut so heftig an meine Wand an, dass ich den Kopf einziehe. Das Gestöhne und Gejodel hört man garantiert noch drei Zimmer weiter.
Hätten die fünf Minuten früher angefangen, wäre der Schlafsack im Rucksack geblieben. Hätt ich nicht gedacht, dass ich hier und jetzt so richtig ins Schwitzen komme. Und das liegt nicht an Ruddi. Als mir klar wird, welcher Szene ich Ohren-Zeugin geworden bin, setzt mein Kopfkino ein und ich krieg auch noch einen Lachanfall vom feinsten. Ich lache ins Kissen, damit ich nebenan die romantische Nachspielzeit nicht verderbe.
Das Fazit des Tages: Auch nach 700 bewältigten Höhenmetern ist der Pilger in der Lage, Wände zum Wackeln zu bringen. Ich muss morgenfrüh mal darauf achten, wer besonders rosige Bäckchen hat.
Donnerstag, 15. Mai 2008
Alto do Poio (Padornelo, 2 Höfe), 1270 m üdM, Provinz Lugo
31. Etappe bis Pitín, 23,5 km
Es fällt mir sehr schwer, mich aus dem Schlafsack zu pellen. Es ist eiskalt im Zimmer. Ruddi hat die Nacht aus seiner Sicht wohl in einem First-Class-Hotel verbracht. Er stellt sich tot, rollt bei meinem etwas ungeschickten Befreiungsversuch aus der engen Muckeltüte von einer Seite auf die andere. Zum Glück kenne ich die Wiederbelebungsmaßnahmen, die in einem solchen Falle bei Perrito anzuwenden sind. Futternapf auffüllen, hart absetzen und die Zauberworte „Hmm, lecker Frühstück“ benutzen. Das wirkt so spontan wie ein Defibrillator bei einem Hund mit Kammerflattern.
Ich stelle meinen persönlichen Rekord im Fertigmachen-und- Zimmer-verlassen auf. Im Gastraum ist schon richtig was los. Der Kamin ist kalt, aber die vielen Leute haben schon ganz gut vorgeheizt. Nach zwei Cafés con leche, die ich so heiß wie nur möglich trinke, taue ich Stück für Stück auf. Mir fällt ein, dass warme Gedanken auch helfen können. Was war nochmal letzte Nacht im Nebenzimmer los? Ja! Es hilft tatsächlich! Toll, was die Kraft der Gedanken so bewirken kann!
Es würde mich ja schon interessieren, wer das war. Meine Österreicher hatten ihre Zimmer auf der anderen Seite des Flurs. Die fallen also raus. Das junge Pärchen, das am Fenster sitzt, hat keine rosa Wangen. Keine Spur von einer heißen Nacht. Beim genaueren Hinsehen und -hören könnten sie auch Bruder und Schwester sein. Nein, die waren das auch nicht! An der Theke stehen lauter Männer, die sich paarweise unterhalten.
Zwei von ihnen unterhalten sich leiser als die anderen. Sie stehen näher beieinander, als es gute Freunde tun und sehen sich auch schweigend auffallend tief in die Augen. Ihr Lächeln und ihre gesamte Körpersprache verraten eine sehr enge Vertrautheit. Ihre Augen strahlen. Ja! Ihre Wangen sind rosig! Das müssen meine Zimmernachbarn der vergangenen Nacht sein. Ich bin froh, dass sie ihr Abenteuer unversehrt überstanden haben. Nicht nur das: Sie sehen aus, als könnten sie Bäume ausreißen. Wen wundert es? Sex ist ja bekanntlich nicht nur die schönste Nebensache der Welt, horny und höchst entspannend. Wenn alles gut läuft, ist er berauschend und man fühlt sich danach wie der König der Welt. Und den kann nichts erschüttern.
Um acht Uhr beginne ich meine Etappe. Heute geht es von 1285 Metern in Fonfría auf 665 in Triacastela abwärts. Die Erfahrung der letzten Etappen hat mir gezeigt, dass es zwischen den Dörfern durchaus auch ohne Vorwarnung meines Reiseführers steil bergauf gehen kann. Der Camino Francés ist niemals langweilig. Jeder Tag birgt neue Überraschungen in sich.
Ganz komfortabel laufe ich neben der ruhigen Landstraße her. In Fonfría verkneife ich mir eine Kaffeepause. Mein Gefühl treibt mich weiter. Auch nach fünf Kilometern hält sich mein Verlangen, einzukehren, in Grenzen. Ich wundere mich zwar, bin aber auch gespannt, was denn heute wohl auf mich wartet. Ich folge meiner Intuition und meinen Trekkingstöcken. Sie scheinen heute den Ton anzugeben. Es fühlt sich an, als hätten sie die Macht. Meine Füße bewegen sich wie von einem Zahnrad angetrieben im gleichmäßigen Rhythmus meiner Arme. Ich finde das überaus angenehm. Normalerweise ist es umgekehrt, geben meine geschundenen Füße den Armen die Befehle sich
Weitere Kostenlose Bücher