5 1/2 Wochen
Jakobsweg zu sein, spaziere ich über den Alto do San Roque. Ich fühle mich wieder „Zuhause“! Gegen halb sechs erreiche ich Hospital da Condesa.
Noch gute sechs Kilometer liegen vor mir. Ein Café con leche wäre schön! So viel Zeit muss sein. Auf dem Parkplatz vor der Bar steht der kleine Lieferwagen, der eine Zeitlang vor mir her fuhr. An der Theke sitzen die beiden Männer. Sichtlich erleichtert rufen sie mir gut gelaunt „Hola“ zu, trinken ihre Gläser leer und verabschieden sich, mit einem wohlwollenden Blick auf mich und den schlafenden Ruddi auf blauer Decke. Im Wald haben sie mich zwar verunsichert, dachte sogar kurz, die wollten mir was. Jetzt bin ich aber davon überzeugt, dass sie einfach nur sicher gehen wollten, dass ich auf den richtigen Weg komme. Schon wieder machen sich wildfremde Menschen gut gemeinte Gedanken um mich. Das Universum hat eben überall seine Helfer parat. Danke!
Im Regen, aber über einen guten Weg durchlaufe ich Padornelo. Ich habe ein Lied auf den Lippen, als ich völlig unerwartet am Ende dieses Pfades stehe - zumindest sieht es so aus, als sei er ein Sackgässchen. Ab jetzt geht es noch steiler als jemals zuvor über einen ungefähr fünfzig Zentimeter breiten Streifen im Zickzack über alle möglichen Hindernisse den Alto do Poio hinauf. Zum Glück weiß ich, dass es sich nur um zwei Kilometer handelt. Aber die haben es in sich! Mir fehlen mal wieder die Worte. Ich kann nur so viel sagen, dass ich meine Arme bei diesem Aufstieg mit einsetzen muss und meine Nase quasi am Hang entlang rutscht. Obwohl das Ende dieser harten Prüfung bereits abzusehen ist, habe ich die Befürchtung es nicht zu schaffen. Die letzten Meter sind eher Klimmzüge, als Schritte.
gleicher Tag (insgesamt 637,2 km gelaufen) Alto do Poio (Padornelo, 2 Höfe), 1270 m üdM, Provinz Lugo
Hostal, Doppelzimmer, 35 € inkl. Abendessen, ohne Frühstück
Wie ein frisch geschlüpftes Küken aus dem Ei hervor gekrochen kommt, tauche ich wie durch ein Wunder Zentimeter für Zentimeter auf einem Parkplatz aus den Bäumen auf. Langsam mache ich mich gerade, schüttel den Regen aus meinen Federn, ähm, aus dem Poncho und schau mich - vor lauter Freude es geschafft zu haben, komplett aus dem Häuschen - neugierig um. Nebel, Regen, Sturm, fortgeschrittene Uhrzeit, drei Kilometer vor Fonfría, körperlich am Ende, links und rechts von der Landstraße jeweils ein Hotel. Ich muss hierbleiben. Die Akkus sind leer. Ich habe die Wahl zwischen zwei Häusern, genau wie in Hospital de Órbigo. Da hatte ich mich am Kreisverkehr für rechts entschieden und landete im „Rotlicht-Milieu“. Dann geh ich doch besser gleich links über die Straße.
Ich betrete einen zwei Quadratmeter kleinen, dunklen Eingangsbereich mit einem engen Schalter, wie es ihn früher vor den Kinos gab. Dahinter hält sich eine dürre, langhaarige blonde Frau auf. Sie fragt, ob ich übernachten möchte. Wenn ich auch nur noch ein bisschen Kraft hätte, würde ich mich sofort vom Acker machen, aber es geht nicht mehr. Mit einem mulmigen Gefühl nicke ich. Bin fast froh, dass Ruddi an der Leine neben mir steht. Vielleicht haben wir ja das „Glück“ rauszufliegen, wenn sie einen Hund entdeckt. Wenn er hier keinen Einlass findet, versuche ich es inzwischen gern auf der anderen Straßenseite. Ich lasse die Señorita entscheiden.
Die Frau kommt mit einem Zimmerschlüssel um den Schalter herum, sieht meinen Hund, zögert kurz, sagt aber nichts, sondern zwängt sich an mir vorbei auf die Treppe. Ich krabbele hinterher. Von einem langen, dunklen Flur aus, gehen wir in mein Reich für eine Nacht. Es wird nicht heller. Sie macht das Licht an, damit wir überhaupt etwas erkennen können.
Der vernachlässigte Raum ist vollgestopft mit heruntergekommenen alten Möbeln. Direkt neben der Tür ist ein „antikes“ Schätzchen von Kleiderschrank zuhause. Ein riesiges Bett, mit einer unglaublich dicken, dunkel gemusterten Tagesdecke, steht, eingerahmt von zwei Nachtschränkchen, links an der Wand. Rechts befindet sich ein mickriger Holzstuhl mit dünnen Beinen, abgenutzter Lehne und Sitzfläche. Ihm gegenüber ist die Tür zum Bad. Ich werfe einen Blick hinein. Ganz primitiv, aber einigermaßen sauber und mit Fenster. Ich staune darüber, dass es draußen noch relativ hell ist und hier drinnen so unglaublich dunkel. Und es ist eiskalt in diesen Räumen. „Ésta bien (alles in Ordnung)?“ werde ich vorsichtig gefragt. Will ich wirklich? Bekomme ich
Weitere Kostenlose Bücher