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5 1/2 Wochen

5 1/2 Wochen

Titel: 5 1/2 Wochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Kürten
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Haar zu krümmen. Freundlich lächelnd beruhigt er mich, er wüsste schon, was zu tun ist. Das wäre nicht der erste Hund, den er vertreibt. Ich nehme ihm das Versprechen ab, dass er bestimmt aber herzlich mit dem Tier umgeht.
    Nach wenigen Minuten kommt er zurück, lacht, zuckt mit den Schultern und sagt: „No hay perro (da ist kein Hund)!“ Ich vermute, dass einer der Gäste ihn bereits weggescheucht hat. Vorsichtshalber bleibe ich noch auf einen Kaffee und... ja! Ein Stück SANTIAGO TORTE! Die wurde im Moment frisch von der Wirtsfrau angeliefert. Das ist doch mal wieder ein Ding! Alles ist immer für irgendwas gut. Ohne den zugelaufenen Hund wäre ich im Außenbereich geblieben und hätte den Kuchen verpasst. Das war mir die Anstrengung wert.
    Nach fast einer Stunde trau ich mich nach draußen und sehe mich verstohlen nach der Hündin um. Sie ist weg. Wieder im Wald unterwegs schau ich mich noch einige Male um. Sie ist wirklich weg. Ich kann wieder durchatmen und um viele Zentner leichter meinen Weg gehen.
    Es liegen noch ungefähr zehn Kilometer vor mir. Im Wechsel zwischen Landstraße und Waldwegen laufe ich über sanfte Hügel. Die Nationalstraße ist in der Nähe. Sie verläuft deutlich höher als der Pilgerweg und versperrt die Aussicht. Ab und zu muss ich sie kreuzen oder durch Unterführungen gehen. Die Hündin ist tatsächlich zurückgelaufen - die wird gewusst haben, dass dieses Stück Weg nicht so romantisch ist.
    Kurz vor Santa Irene treffe ich auf die vier Österreicher. Die Freude ist natürlich unbändig. Wir gehen zusammen bis zur nächsten Bar. Ich glaube, alle Pilger im Umkreis von 20 Kilometern haben sich genau hier verabredet. Wir müssen eine Weile warten, bis ein Tisch frei wird. Die Rucksäcke türmen sich an allen vier Wänden entlang. Ich finde kaum Platz für Ruddi’s Wassernapf. Luigi und ich bauen aus unseren Rucksäcken eine winzige Schutzmauer um ihn herum. Mein Hund findet in dem Gewimmel allerdings keine Ruhe. Ich nehme ihn auf den Schoß, damit er sich ausruhen kann. Wir fünf haben uns erstaunlich zu erzählen. Man könnte meinen, wir hätten uns seit mindestens vierhundert Kilometern nicht gesehen. Die beiden Klagenfurter Pärchen übernachten in der ansässigen Herberge. Ich habe noch gute zwei Kilometer vor mir. Wir sind gespannt, ob wir uns morgen in Santiago treffen.
    Wir finden kaum Platz, uns zum Abschied zu umarmen. Es ist mittlerweile so eng in dieser Bar, wie in der ersten Reihe auf einem Rockkonzert. Mit geradem Rücken, leicht in die Knie gehend, rupfe ich meinen Rucksack raus. Anziehen kann ich den erst draußen, nachdem ich mir einen Weg durch die Menschen gebahnt habe.

gleicher Tag (insgesamt 762,6 km gelaufen)
    Rúa (ca. 50 Einwohner), ca. 400 m ÜdM, Provinz La Coruña
    Hostal, Doppelzimmer, 33 € ohne Frühstück

    In dem kleinen Dorf Rúa habe ich es auf wundersame Weise geschafft, mich zu verlaufen. Ich frage eine Dorfbewohnerin, die gerade ihre Fenster putzt, nach dem Weg zur nächsten Pension. Lächelnd und haarklein erklärt und zeigt sie mir, wo ich lang gehen soll. Es ist angeblich nicht mehr weit. Mit meinen letzten Reserven, wie immer am Ende einer Etappe laufe ich die von ihr empfohlene Landstraße entlang. Wieso kommen mir hier so viele Leute entgegen? Ich frage nach. Das sind Pilger, die einkaufen oder in der Kirche waren. Wo ich denn hin wollte? „Ich will in Rúa übernachten und suche eine Unterkunft!“ „Da bist Du völlig auf dem falschen Weg. Du musst zurück, bist an der Straße zum Hotel schon lange vorbeigelaufen.
    Ich zweifel ihre Aussage an, denn die freundliche Fensterputzerin hat mir doch gesagt, dass ich hier lang muss. Zum Glück sind diese Pilger sehr geduldig mit mir und bleiben hartnäckig. „Du musst zurück!“ Nach wenigen hundert Metern kann man das Hotel dann auch wirklich schon sehen. Wir kommen an dem Haus mit den frisch geputzten Scheiben vorbei. Ich glaube es nicht! Da hat die mich doch ohne mit der Wimper zu zucken in die entgegengesetzte Richtung geschickt! Hat die ein Glück, dass sie mir nicht mehr unter die Augen kommt. Ich hätte sie wahrscheinlich umgehauen. Unverschämtheit! Das ist mir auf 760 Kilometern noch kein einziges Mal passiert.
    Musste das sein? Ich finde das richtig schade und bin gleichzeitig rasend wütend. Ich kann und will jetzt nicht mehr! Füße, Beine, Kopf... alles ist am Ende - auch der Camino - und der Ruddi!
    Ich muss Ruddi schmuggeln, darf kein Risiko eingehen. Ich packe ihn in seine

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