5 1/2 Wochen
angefahren. Es bricht mir das Herz, ihn hier im strömenden Regen liegen zu sehen. Ich kann die Tränen nicht zurückhalten. Das hat mir einen richtigen Schlag versetzt. Für einen Moment bin ich wie gelähmt und nicht annähernd in der Lage irgendetwas zu tun. Ich habe keine Idee, die mich nicht hinhaut. Ich muss hier weg - Ruddi muss hier weg! Wir sind noch nie an einem toten Hund vorbeigekommen.
Nur wenige hundert Meter weiter erreiche ich nervlich am Ende das Hostal. Ich habe Perrito vorsichtshalber wieder unter meinen Poncho gesetzt. Das Gebäude ist groß und liebevoll gepflegt. Trotz des mehr als grauen Wetters, strahlt dieses Haus regelrecht. Wie in Molinaseca ist die Eingangstür dieses Hauses oben und unten getrennt zu öffnen. Auf mein Klopfen öffnet eine Frau die obere Türhälfte. Sofort ist ihr klar, dass ich die Pilgerin bin, für die das Zimmer telefonisch reserviert wurde und lässt mich schnell ins Trockene. Mir ist klar, dass sie nichts von meinem Hund weiß. Darüber wurde am Telefon nicht gesprochen. Das hätte ich mitgekriegt.
Immer noch geschockt, erzähle ich ihr zuerst einmal von dem toten schwarzen Hund auf der Nationalstraße. Sie ist betroffen, kann sich vorstellen, dass das der Hund ihrer Nachbarin ist. Sie will sich gleich darum kümmern, wenn sie mich auf mein Zimmer gebracht hat. Wie ich am Eingang gesehen habe, handelt es sich hier um ein Ein-Sterne-Hostal. Das muss ein Druckfehler sein. Schon der Eingangsbereich hätte mindestens drei Sterne verdient. Es strahlt hier drinnen nicht weniger als draußen. Nun erinnert es mich an das Hostal in Pitin. Über eine breite gerade Holztreppe kommen wir auf einen großzügigen Flur, von dem die Zimmer abgehen. Auch hier stehen gemütliche Sitzgruppen, die durch große, üppige Pflanzen voneinander getrennt sind.
Das Zimmer ist hinreißend und blitzblank gewienert. Die Bettwäsche duftet so frisch, die kann noch nicht länger als wenige Minuten aufgezogen sein. Der Raum hat drei normale und zwei bodentiefe Fenster. Gegenüber vom Bett, zwischen zwei Fenstern steht eine auffallend kleine antike Bank. Das Bad ist neu, großzügig und glänzt vom Boden bis zur Decke. Es gibt sogar mal wieder eine Badewanne. Ich bin begeistert. Hier will ich bleiben.
Ruddi regt sich vorsichtig unter meinem Poncho, sagt mir quasi, dass ich ihn enttarnen soll. Ein Blick in die warmherzigen Augen der Señora und die schmerzvolle Erinnerung an den toten Hund auf der Straße helfen mir dabei, den blinden Passagier zu melden. Wir wissen von der Wirkung, die das Öffnen meines Poncho-Reißverschlusses hat. Die Wirtin ist so gerührt, dass sie Ruddi sofort mit einem kleinen sauberen Stofftuch, das sie aus ihrer Kitteltasche zieht, über das nasse Köpfchen reibt. Da brauch ich keine Worte mehr. Ruddi schaut sich kurz im Zimmer um, springt sofort auf die kleine Bank und setzt sich hin, als wäre er ein Nipp-Figürchen. Ein Bild für die Götter. Dieses Möbelstück möchte er gerne kaufen.
Perrito ist nach neun Stunden Regen total erschöpft und friert. Sofort rubbel ich ihn trocken und hol sein Bett aus meinem Rucksack. Da kann die Bank nicht mithalten. Ich kriege so gerade noch die Decke hineingelegt, bevor er zum Sprung ansetzt. Im Flug bereits eingekringelt, landet er sanft und sicher auf seiner weichen Decke. Ich bin viel zu geschafft, um mich noch ans Waschbecken zu stellen und die allabendliche Handreinigung meiner Klamotten in Angriff zu nehmen. Eine Blitzidee macht sich in meinem Kopf spontan breit: „Die Wirtin macht dir deine Wäsche!“ Ach ja? Spontan „renne“ ich los und erwische sie noch auf dem Flur. „Sí, señora, sólo cinco Euro (Ja, für nur fünf Euro). Sofort folgt sie mir in mein Zimmer und sammelt alles ein, was sie kriegen kann. Ich muss Ruddi sogar seine Kuscheldecke unterm Hintern wegziehen. Die hat es aber auch nötig! Sie gibt mir ein weiches Handtuch, auf dem Schnurzel solange liegen kann. Luxus pur in Castañeda.
Den Abend verbringe ich mit einem jungen sehr netten Ehepaar aus Aschaffenburg. Sie gehen nur die letzten 100 Kilometer, sind aber trotzdem „echte“ Pilger und phänomenal unterhaltsam. Wir genießen ein wundervolles Drei-Gänge-Menü, das die gute Fee des Hauses persönlich à la minute zubereitet und liebevoll serviert. Ich kann zwischen zwei Desserts wählen und bin unschlüssig. Meine neuen Pilgerfreunde empfehlen mir die Santiago-Torte. Oh, Mama! Ist die gut! Ich könnte fünf Stücke davon vertilgen. Wehe, wenn es
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