5 1/2 Wochen
antworte knapp, aber überwältigt: „Das ist der Wahnsinn! Ich bin beeindruckt und stolz auf Dich. Danke, dass Du an uns gedacht hast.“ Ich will ihm den Stress von eben verzeihen. Wahrscheinlich wollte er mir unbedingt und schnellstens dieses Schatzkästchen zeigen und war deshalb so in Eile.
Heute war es sehr heiß. Ich habe einen Sonnenbrand auf der Schulter und im Gesicht, der sich gewaschen hat. Ich spüre das jetzt erst. Ich möchte doch gerne noch schnell duschen, bevor wir Essen gehen. Hermann hat jedoch Recht, als er sagt. „Das wird zu spät. Dann kriegen wir nichts mehr.“ Ich erwidere: „Aber ich stinke doch bestimmt. Ich bin den ganzen Tag durch die Sonne gelaufen.“ Seine Antwort: „Ja, Du stinkst. Aber wenn Du Dich umziehst und ein bisschen Deo nimmst, geht das schon.“ Ich gucke ihn entsetzt an. So was hat mir noch nie jemand gesagt: „Meinst Du das ernst oder nimmst Du mich hoch?“ Er meint es ernst, hat aber schon die Tasche mit Ruddi drin über der Schulter hängen und ich beeile und bemühe mich, einigermaßen gut duftend aus dem Haus zu gehen.
Wir treffen im Restaurant tatsächlich auf Edit und haben jede Menge Spaß miteinander. Edit ist Ungarin und kann ganz gut Englisch sprechen. Wir sind Deutsche und glauben, ganz gut Englisch zu sprechen. Dabei entstehen so viele Missverständnisse über die wir uns köstlich amüsieren. Drei Erwachsene sitzen an einem kleinen runden Tisch, trinken Bier und Rotwein und versuchen sich mit Mimik, Händen und Füßen zu unterhalten. Wenn man erst mal raus gefunden hat, was gerade das Thema sein soll, dann geht es. Herrlich! Ich habe Edit gerne um mich, es ist stets eine unbeschwerte Zeit in ihrer Gegenwart. Sie sagt, das beruhe auf Gegenseitigkeit.
Der Abend ist fortgeschritten. Keiner von uns ist mehr ganz nüchtern. Edit versucht, meine Handynummer in ihrem Telefon zu speichern. Das ist aber nicht so einfach. Immer wieder versucht sie es. Ich rufe sie an, sie will speichern, das Handy aber nicht. Wir versuchen es vier, fünf, sechs Mal - es soll nicht sein. Dann probieren wir es umgekehrt: ungarisches Handy an deutsches... kannst Du mich empfangen?... Nein! Auf einmal wird es Hermann zu viel. Er wird von jetzt auf gleich ungeduldig und will gehen. Er steht vom Tisch auf, obwohl ich noch Wein, Kaffee und Wasser vor mir stehen habe. Ganz davon abgesehen will ich noch bleiben. Das geht aber nicht, weil es nur einen Schlüssel zur Traumwohnung gibt. Wir beiden Frauen müssen notgedrungen mitgehen.
Erst als wir auf der Straße sind, merken wir, dass die Anstrengungen des Tages und der Alkohol nicht gut zusammenpassen. Um genau zu sein, schaffe ich es noch geradeaus zu gehen, aber Edit muss immer wieder von Hermann auf die Spur gebracht werden. Irgendwann wird es ihm zu bunt, und er klemmt sie sich beherzt unter den Arm, damit sie nicht vom Weg abkommt. Es ist ein herrlicher Anblick. Edit ist höchstens 1,60 und Hermann schätzungsweise 1,90 Meter groß. Sie flirtet scherzhaft mit ihm und schaut ihn von unten an, aber ihre Augen können die große Entfernung nicht mehr verkraften. Zu allem Überfluss spricht er beruhigend auf sie ein: „Wir sind ja gleich da. Bleib cool. Willst Du mit zu uns gehen?“ Edit freut sich und fragt nach, wo wir denn übernachten. Sie erhält eine Wegbeschreibung, mit der sie natürlich im Moment nichts anfangen kann. Wir schwärmen von der Wohnung. Sie missversteht das und als wir an der Ecke ankommen, an der sich unsere Wege trennen müssen, weil dort ihre Herberge ist, will sie mich verabschieden und mit Hermann in die Wohnung gehen. Ich lasse mich natürlich darauf ein. Mal sehen, wie mein Pilgerfreund aus dieser Nummer wieder rauskommt. Er wird auf einmal ganz unruhig und dreht und wendet sich. Edit braucht einen Moment, um zu verstehen, dass wir nur zwei Betten haben und sie doch in der Herberge übernachten muss. Schlussendlich lachen wir uns alle drei angesichts dieser Situation kaputt.
Kaum „zuhause“ angekommen, wartet Hermann mit einer weiteren kleinen, aber wirkungsvollen Überraschung auf: „Ich habe Dir ein Bad eingelassen. Mach es Dir gemütlich. Ich gehe jetzt schlafen.“ Wie nett von ihm. Es ist zwar keine Lebensaufgabe, für jemanden ein Schaumbad zu bereiten, aber es ist eine unheimlich nette Geste. Ich frage ihn noch, ob ich seine Wäsche mit in die Maschine stecken soll, aber er lehnt es dankend ab, weil es schon fast Mitternacht ist und seine Klamotten mit Sicherheit bis zum Morgen nicht
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