5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
kalt und einsam.
Eines Nachts ging ich zu einem Konzert in ein Café, und versuchte dann so lange wie möglich bei einer Tasse Tee zu bleiben. Ich kam mir vor wie der alte Mann in Ralph McTells Song » Streets of London « , der versucht, sich seine Tasse Tee die Nacht über so einzuteilen, dass er im Café bleiben kann. Ironie des Schicksals, dachte ich mir, dass ausgerechnet dieses Lied eines der ersten war, die ich auf der Gitarre gelernt hatte.
Bei Sonnenaufgang ging ich zu den öffentlichen Toiletten am Strand, bis sie aufmachten. Dort wusch ich mich, putzte mir die Zähne und ging auf die Toilette, während ich die finsteren Blicke des städtischen Angestellten über mich ergehen ließ, der die Anlage aufgesperrt hatte. Ich glaube, er hielt mich für einen wilden Camper, eine Schmarotzerin oder so was. Aber er hätte gar nicht schlechter von mir denken können, als ich selbst von mir dachte. Also war es mir im Grunde egal. Und eine der Segnungen, die ich aus meiner Zeit mit der Pflege Sterbender mitgenommen hatte, war die, dass es mir tatsächlich ziemlich egal war, was andere über mich dachten. Ich hatte genug eigene Probleme.
Einen anderen Abend ging ich zum Hare-Krishna-Projekt » Gebt den Hungernden zu essen « . Als ich mich jetzt in die Schlange stellte, wurde mir wieder die Ironie des Schicksals bewusst, denn für genau dieses Programm hatte ich, wenn ich Geld hatte, des Öfteren zehn oder zwanzig Dollar in die Spendendose gesteckt. Ich mochte die Hare-Krishna-Bewegung. Sie waren Vegetarier, spielten fröhliche Musik und gaben hungrigen Leuten zu essen. Das reichte mir. Aber jetzt war ich der Empfänger ihrer Gefälligkeiten, und das fand ich ziemlich demütigend.
Eines Morgens, als ich auf einem Felsen am Hafen saß, betete ich um Kraft, Ausdauer und ein Wunder. In diesem Moment kam eine ganze Schule Delfine vorbei, einer warf sich spielerisch aus dem Wasser. Gerade hatte ich mein Leben noch so ernst und sorgenvoll betrachtet, aber dieser Anblick gab mir wieder ein bisschen Hoffnung. Dann fielen mir ein paar Freunde ein, die ein wenig außerhalb der Stadt wohnten, und ich beschloss, sie anzurufen und um Unterkunft zu bitten. Sie waren immer so nett gewesen, aber mein Gefühl von Wertlosigkeit und Versagertum hatte mir den Schwung genommen, noch mehr Leute um Hilfe zu bitten oder überhaupt nur nachzudenken, wen ich sonst noch ansprechen könnte. Ich hatte nicht den Mut gehabt, meine Gefühle auszudrücken, obwohl ich zu diesen freundlichen Menschen einfach nur hätte sagen müssen: » Hej, mir geht’s gerade scheiße. Kann ich bitte zu euch kommen und eine Weile bei euch wohnen? «
Nachdem ich diesen Entschluss gefasst hatte, wurde mir gleich viel leichter ums Herz, und ich brach zu einem Spaziergang am Hafen auf. Doch noch bevor ich meine Freunde anrufen konnte, klingelte mein Handy, und es war Edward, der mich fragte, ob ich gerade frei war und mich um Jude kümmern könnte und ob ich wohl gleich anfangen könnte. Falls ich eine Wohnung brauchte, hätten sie auch ein schönes Apartment auf ihrem Grundstück. In dieser Nacht konnte ich mich wieder richtig ausstrecken und litt nicht mehr unter der Kälte und Krämpfen. Nach einem erholsamen Bad legte ich mich unter eine warme, kuschelige Decke. Ich hatte ein gesundes Essen mit drei wunderbaren Leuten zu mir genommen und verdiente wieder Geld. Wie schnell sich das Leben doch ändern kann!
Ich könnte jetzt natürlich auf diese Zeit zurückblicken und sagen, das lag alles daran, dass mir die Arbeit und die Housesitting-Angebote ausgegangen waren. Rein äußerlich stimmt das ja auch. Aber ich hatte die Situation durch meinen Mangel an Selbstwertgefühl geschaffen und indem ich die schlechte, alte Saat bewässerte. Anscheinend waren aber auch ein paar neue Saatkörner aufgegangen, denn bei anderen Gelegenheiten gelang mir schon ein wundervolles, großzügiges Leben. Doch es brauchte eine gewisse Zeit, bis ich lernte, diese alten Muster in meinem Kopf zu löschen, und ich hatte es mir noch schwerer gemacht, weil ich so unfähig war, um Hilfe zu bitten.
Als ich einmal zu einem späteren Zeitpunkt wieder eine Flaute bei den Housesitting-Anfragen erlebte, rief ich die Freunde an, die mir an jenem Morgen mit den Delfinen eingefallen waren, und sie luden mich freudig und liebevoll ein, ihr Gästezimmer zu beziehen. Es war mir wieder möglich, die Güte in mein Leben zu lassen. Ich musste immer noch viel lernen, wenn es darum ging, meine Gefühle
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