5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
unsere gemeinsame Zeit lief ab. Die Monate mit Agnes waren ein wunderbares, ganz besonderes Erlebnis für mich. Obwohl ich diese Arbeit vor allem angenommen hatte, um meine Reiselust befriedigen zu können, war es doch eine schöne Arbeit, jemandem Gesellschaft zu leisten.
Ich genoss es jedenfalls sehr viel mehr, als Bier zu zapfen. Lieber stütze ich einen alten Menschen, der gebrechlich ist, als einen jungen, der zu betrunken ist. Oder einen alten betrunkenen. Beide hatte ich in meiner Stelle auf der Insel und in dem englischen Pub zur Genüge gehabt. Ich suchte viel lieber die Prothese einer alten Dame, als schmutzige Aschenbecher und leere Biergläser einzusammeln.
Dean und ich reisten in den Nahen Osten, wo wir völlig andere, aber faszinierende Kulturen bestaunten (und jede Menge Köstliches aßen). Nach einem wunderbaren Jahr im Ausland fuhr ich zurück, um Agnes zu besuchen. Meine Nachfolgerin war auch Australierin, und wir plauderten angeregt, nachdem die alte Dame in ihrem Lehnstuhl weggedöst war. Wir erzählten uns so einiges, und irgendwann gestand mir das Mädchen, dass sie doch etwas überrascht gewesen war von Bills erster Frage bei ihrem Vorstellungsgespräch. Ich wollte wissen, was das denn für eine Frage gewesen sei, und musste losprusten, als sie es mir verriet.
Seine erste Frage war gewesen: » Du bist doch keine Vegetarierin, oder? «
Unerwartete Karriere
Nach den Jahren in England und im Nahen Osten kam ich schließlich nach Hause in mein geliebtes Australien. Ich war ein völlig anderer Mensch geworden, wie es eben so ist nach langen Reisen. Ich begann wieder in der Bankbranche zu arbeiten, doch mir wurde bald klar, dass mich diese Arbeit nie wieder würde ausfüllen können. Der Kundenkontakt wardas einzige Highlight, und auch wenn es einfach war, an jedem beliebigen Ort eine Stelle zu finden, fühlte ich mich rastlos und war schrecklich unglücklich mit meiner Jobsituation.
Immer häufiger versuchte ich, meiner Kreativität Ausdruck zu verleihen. Eines Tages saß ich am Swan River in Perth– damals lebte ich in Western Australia– und stellte zwei Listen auf. Die eine umfasste alles, was ich gut konnte. Auf der anderen stand, was ich am liebsten machte. Dabei wurde mir klar, dass in mir irgendwie eine Künstlerin steckte, denn das Einzige, was in beiden Listen auftauchte, waren meine kreativen Talente.
» Würde ich mich überhaupt trauen, mich als Künstlerin auch nur vorzustellen? « , dachte ich mir. Obwohl ich in einem musikalischen Umfeld aufgewachsen war, hatte man mir von Anfang an eingetrichtert, dass man sich einen soliden » guten Beruf « zulegen muss. Niemand konnte verstehen, warum ich hibbelig wurde, wenn ich jeden Tag von neun bis fünf in der Bank arbeitete. Ein » solider Beruf « . Ein solider Beruf, der mich langsam, aber sicher umbrachte.
Es folgte eine Phase intensiver Selbsterforschung, und ich versuchte etwas zu finden, was ich gut konnte und mir Freude machte. Es war eine harte Zeit für mich, als sich damals alles in mir veränderte. Irgendwann wurde mir klar, dass bei meiner Arbeit auch das Herz eine Rolle spielen musste, denn meine bisherige Arbeit, die nur mit dem Intellekt zu tun gehabt hatte, erfüllte und befriedigte mich nicht. Also begann ich meine kreativen Talente durch Schreiben und Fotografieren zu entwickeln, und landete nach einer geraumen Weile (auf ziemlich verschlungenen Pfaden) beim Songwriting und bei gelegentlichen Auftritten. Dabei arbeitete ich die ganze Zeit weiter in der Bank, allerdings nur noch in Teilzeit. Die Einschränkungen, die einem ein Vollzeitjob auferlegt, hielt ich einfach nicht mehr aus.
Perth war jedoch ziemlich weitab vom Schuss, und obwohl mir das Leben dort sehr gefiel, zog mich der Wunsch, meine Lieben ab und zu sehen zu können, wieder Richtung Osten. Also ab über die Nullarbor Plains, durch die Flinders Ranges, über die Great Ocean Road und den New England Highway bis nach Queensland, wo ich vorläufig meine Zelte aufschlug. Eine Weile arbeitete ich in einem Callcenter und rief Leute an, um ihnen ein Abo für einen Pornokanal zu verkaufen. Das war um Längen interessanter als die Bankbranche.
» Ähm. «
Schweigen.
» Ich rufe für meinen Mann an. «
» Sie würden sich also gerne für ›Night Moves‹ registrieren lassen? « , antwortete ich mit freundlicher, urteilsfreier Stimme, woraufhin die Frauen gleich immer viel entspannter wurden.
Oder die Typen fragten mich: » Wie ist das denn da? Ich meine…
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