5 Farben Blau
Spenden angewiesen ist.
» Mrs McKenzie, darf ich mich nach dem Befinden von Rhys erkundigen? Wir haben lange nichts mehr von ihm persönlich gehört. Es muss fast an die dreißig Jahre her sein, dass er uns verlassen hat.« Meine Überraschung über diese Neuigkeit kann ich nur mühsam verbergen. Rhys ist ein Heimkind? Plötzlich habe ich eine Unmenge Fragen, doch ich will mir keine Blöße geben und schaue Trish nur aus dem Augenwinkel an.
Sie nickt. »Ja, er ist jetzt sechsunddreißig. Es geht ihm gut. Vielleicht kann unsere liebe Jazman ihn dazu bewegen, Sie einmal zu besuchen.«
Schwester Gabrielle mustert mich neugierig. »Sie sind Rhy sʼ Freundin?«
Abwehrend hebe ich die Hände und will verneinen, ihr erklären, dass ich nur eine Angestellte bin, doch Trish kommt mir zuvor. »Ja, sie sind so ein wundervolles Paar .« Sie tätschelt mir die Hand und ich bin sprachlos.
»Was genau ist der Anlass Ihres Besuches ?«
Endlich kann auch ich etwas zu dem Gespräch beitragen. »Wir sind auf der Suche nach einem Spendenobjekt für die Cunningham Stiftung und ich denke, dieses Heim ist genau das Richtige, um in das Förderprogramm für bildende Künste aufgenommen zu werden.«
Etwas irritiert blickt Schwester Gabrielle von einem zum anderen. »Aber Rhys unterstützt uns bereits. Er hat die Patenschaft für eines der Kinder übernommen. Somit sind seine täglichen Mahlzeiten, Kleidung und das Schulgeld gesichert.«
Trish schaut mich erstaunt an. Ich hebe unmerklich die Schultern, aber jetzt wird mir klar, warum Rhys verhindern wollte, dass ich das Kinderheim besuche.
»Dürfen wir erfahren, welches Kind Mr Cunningham bereits unterstützt ?«
»Es ist ein achtjähriger Junge namens Elijah. Er ist ein W aisenkind, seine Familie ist bei einem Hausbrand ums Leben gekommen. Die Kinder machen gerade ihre Hausaufgaben, wenn Sie wollen, können wir einen Blick auf sie werfen.«
Der Hausaufgabenraum ist freundlich und hell, er ähnelt einer Bibliothek, allerdings stehen nur wenige Bücher in den Regalen. Ich bewege mich zwischen den Kindern und schaue dabei zu, wie sie ruhig ihre Aufgaben erledigen. Die meisten von ihnen sind schon älter, aber ich entdecke einen blonden kleinen Jungen, der verträumt aus dem Fenster starrt. Der Platz neben ihm ist leer und ich setze mich zu ihm. Als er mich bemerkt, wird er ganz rot.
»Du hast mich ertappt«, flüstert er leise.
»Wobei?«, frage ich. Er legt einen Finger auf die Lippen und flüstert: »Psst, wir müssen leise sein, um die anderen nicht zu stören.«
Ich nicke ihm lächelnd zu.
»Kommst du mich besuchen?« Seine Augen sind leuchtend blau und erinnern mich an Rhys.
»Möchtest du denn, dass ich dich besuche ?«
Er denkt einen Augenblick über die Frage nach. »Nur, wenn du wiederkommst. Die anderen Kinder bekommen oft Besuch und werden dann auch mitgenommen .«
» Kommt dich denn niemand besuchen?«
Er blickt mich an und schüttelt dann traurig den Kopf.
Er rührt mich. »Wie ist dein Name?«
»Elijah Lincoln. Und deiner?«
»Ich heiße Jazman, aber du kann mich Jaz nennen. Was hältst du davon, wenn ich dich einmal besuchen komme? Vielleicht am Samstag, dann können wir ein Eis essen gehen.«
Das Wort Eis bricht den Bann und ein Leuchten gleitet über Elijahs Gesicht. »Wirklich? Du holst mich wirklich Samstag ab und wir gehen ein Eis essen?« In seinen Augen blinkt Freude auf und auch die Bitte, ihn nicht zu enttäuschen. Wie kann ich da Nein sagen. Ich halte ihm meine Hand hin. »Schlag ein Kumpel, wenn du jetzt fleißig deine Aufgaben machst, werde ich mit Schwester Gabrielle sprechen und dich am Samstagmittag abholen.«
~
Der Flieger aus Washington landet pünktlich um 14:30 Uhr auf dem J.F.K. Flughafen und Matt wartet wie üblich im VIP Bereich. Eine Stunde später parkt der Wagen endlich in der Tiefgarage. Ungeduldig besteigt Rhys den Fahrstuhl und kann es kaum erwarten, in die Chefetage zu gelangen. Denn dort ist sie ! Einen ganzen Tag hatte er in einer stinklangweiligen Sitzung verbracht und fast ununterbrochen an Jaz gedacht. Als er später allein in seiner Hotelsuite saß, nahm er gefühlte tausend Mal sein Handy zur Hand, um ihr eine Kurzmitteilung zu senden, wie sehr er sie vermisste. Keine davon sandte er ab. Dafür schickte er Abigail eine E-Mail mit einem Auftrag.
Endlich öffnet sich die Fahrstuhltür und Rhys betritt mit langen Schritten Ja zʼ Büro. Es ist leer. Er hält in seiner Bewegung inne. Verflucht, wo ist sie? Ihr
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