5 Farben Blau
Schreibtisch ist verwaist und ordentlich aufgeräumt. Hat sie gekündigt? Hat sie ihn verlassen? Niemand verlässt ihn, wenn er das nicht will! Abrupt dreht er sich um und hält auf Abigail zu.
»Wo ist Miss Darling ?«, donnert seine Stimme durch den Raum.
Abigails Gesicht läuft rot an, als wäre sie persönlich dafür verantwortlich, dass Jaz nicht an ihrem Schreibtisch sitzt. »Sie besucht ein Kinderheim, Mr Cunningham.«
»Welches Kinderheim?« Seine Stimme könnte Papier schneiden.
»Ich glaube, St. Francis.«
»Sie glauben ?« Rhys kann sich nur schwer beherrschen.
»Ja, ich habe Miss Darling darüber mit Mrs McKenzie sprechen hören.«
Rhys schlägt wütend mit der Faust auf die Theke.
»Mensch, Abigail, jetzt lassen Sie sich doch nicht jede Einzelheit aus der Nase ziehen.«
Pure Angst starrt ihm entgegen und Abigail ist vor lauter Furcht verstummt. Rhys fährt sich mit den Händen über sein Gesicht und atmet langsam aus. Er versucht, seine Nerven zu beruhigen. Zumindest hat sie nicht gekündigt.
»Also, Abigail, mal ganz in Ruhe. Jazman ist zu dem Kinderheim St. Francis unterwegs?«
Sie nickt und räuspert sich verlegen. »Ja, sie wurde von Mrs McKenzie abgeholt, vor etwa einer Stunde.«
»Sehen Sie, Abigail, das ist doch eine Information, mit der man etwas anfangen kann .«
Sie nickt und trotz seines gemäßigten Tonfalls treten ihr Tränen in die Augen. Innerlich flucht Rhys. Das Nervenkostüm seiner Empfangsdame ist einfach zu dünn, hier ist dringend Abhilfe von Nöten. »Okay, Abigail. Schicken Sie mir Susan in mein Büro und dann holen Sie sich mal einen starken Kaffee.«
~
Der Kaffee ist heiß und riecht verführerisch. Abigail lehnt mit geschlossenen Augen an der Wand.
»Das duftet hier aber gut !«
Erschrocken reißt sie die Augen auf und verschüttet den dampfenden Inhalt ihrer Tasse über ihre rechte Hand.
»Aua, Mist!«
»Oh Gott, das wollte ich nicht. Es tut mir leid, zeigen Sie mal her.« Matt steuert direkt auf sie zu und begutachtet ihre Hand, die sich dunkelrot verfärbt. »Sie haben sich verbrüht, schnell, wir sollten es kühlen.« Er führt sie zum Becken und lässt kaltes Wasser darüber laufen.
»Oh nein, Mr Baker, es ist schon in Ordnung, lassen Sie ruhig .«
Abigail will ihm ihre Hand entziehen, doch er lässt nicht locker und hält sie fest.
»Nennen Sie mich doch Matt.« Er lächelt auf sie herunter und Abigails Knie werden weich. Seine dunkelbraunen Augen schleichen sich in ihr Herz, veranlassen sie zu einem Lächeln. »Es ist nichts, Matt.« Ihre Stimme klingt in ihren Ohren leicht rauchig, sie fühlt sich irgendwie umnebelt. Mein Gott, dieser Matt konnte einer Frau wirklich den Kopf verdrehen. Er war so offen und freundlich, ganz anders als der düstere Rhys Cunningham.
»Ihre Haut ist ganz rot, ich habe oben eine Brandsalbe, damit sollten wir Sie versorgen. Kommen Sie .« Er wickelt ein sauberes Küchenhandtuch um die verbrühte Hand und führt sie, ungeachtet ihrer Proteste, zum Aufzug.
Matts Wohnung ist ein Traum. Abigail schaut sich neugierig um. Sandfarbende Handtücher liegen im Bad bereit, die so dick und flauschig aussehen, als wären sie neu. Matt holt Salbe und Mullbinden aus dem Apothekerschrank, dann versorgt er ihre Hand damit. Sie stehen sich im Badezimmer nah gegenüber. Krampfhaft sucht sie nach einem unverfänglichen Thema, als Matt fragt: »Was hat Sie so aus der Fassung gebracht?«
Sie traut sich kaum, ihm in die Augen zu blicken. »Ich weiß nicht, was Sie meinen .«
»War es Rhys ?«
»Mr Cunningham wollte ...« Dann verstummt sie, weil sie den Faden verloren hat.
Matt lächelt. »Abigail, Mr Cunningham ist nur ein Mann, Sie sollten keine Angst vor ihm haben .«
»Nun, es gibt solche und solche Männer .«
»Und zu welcher Sorte Mann gehöre ich für Sie ?«
Sie muss schlucken. Matt hat mittlerweile den Verband befestigt.
»Sie?«, stammelt Abigail unsicher.
Matt schaut sie an. »Gehöre ich für Sie zu den Männern, mit denen Sie zu Abend essen würden ?«
~
Trish McKenzie bewohnt ein Penthouse auf der 5th Avenue, nicht weit vom Cunningham Gebäude entfernt. Sie hat mich eingeladen und ich kann nicht ablehnen, denn meine Neugier auf Informationen über Rhys ist einfach grenzenlos. Ich sitze ihr gegenüber und wir trinken eine Tasse Tee, zum Glück keinen weiteren Alkohol, denn ich will, dass mein Kopf klar bleibt. Ich vertrage nicht sehr viel, daher war das Glas vorhin im Auto schon zu viel.
Ich beobachte sie. Trish
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