5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
Asravir, sprang Evrèl tollkühn entgegen. Seine Krallen waren kurz und seine Muskeln nicht so ausgeprägt wie die seiner Artgenossen. Evrèl stieß einen unirdischen Laut aus, der an das Brüllen eines Löwen erinnerte. Seine roten Augen glühten dämonisch in ihren Höhlen, als er einen Ausfallschritt machte und Jules’ eigenen Schwung dazu nutzte, ihn mit seiner Kralle aufzuspießen. Der Kampf hatte nicht einmal ein paar Sekunden gedauert. Der junge Asravir gab einen gurgelnden Laut von sich und sackte zu Boden. Als Evrèl seine Klaue aus der Brust des Jungen zog, glänzte sie im Mondlicht rot von Blut. Er machte einen Schritt auf Émine zu. Sie wich zurück, in der Annahme, er wolle auch sie töten, doch stattdessen stellte er sich schützend vor sie und schirmte sie mit seinem massigen Leib vor den Blicken der anderen Asraviri ab.
»Niemand fasst sie an«, knurrte er mit tiefer Stimme. Erst jetzt erfasste Émine vollends, dass er gekommen war, um ihr zu helfen. Hatte sie ihm unrecht getan?
»Du dämlicher Narr!« Es war Jacques’ Stimme, die durch die Nacht dröhnte. »Willst du auf die Unsterblichkeit verzichten, weil du eine Engelstochter liebst? Du bist so dumm, Evrèl, so unendlich dumm. Du wirst sterben, wenn du sie rettest. Dein Körper wird verfallen wie der meine, und das Mädchen verdammst du zu einem Leben in ewig dauernder Einsamkeit.« Er machte eine Pause. »Geh zur Seite, sonst töten wir dich. Das Mädchen wird ohnehin sterben, also rette wenigstens dich selbst.«
»Ihr müsst mich töten, wenn ihr an Émine heranwollt.« Evrèl schlug seine Krallen klackernd gegeneinander, wohl eine Demonstration seiner Entschlossenheit. »Ich werde Émine nicht kampflos aufgeben. Ich habe sie seit dem Tag, an dem ich das erste Mal ins Grüne Heim gekommen bin, geliebt. Ich bereue es nicht.«
»Ich verfluche diesen Tag«, sagte Jacques. »Ich hätte die Zeichen deuten und erkennen müssen, dass du mehr für sie warst als ein Patient. Diese Liebe ist widernatürlich.«
Die verbliebenen fünf Asraviri kamen langsam auf Evrèl zu, ein jeder von ihnen hielt seine Klauen gekreuzt vor das eigene Gesicht. Émine spähte an Evrèl vorbei und erhaschte einen Blick auf L é once, den größten der Asraviri. Er fauchte, holte mit einer seiner Pranken aus und eröffnete den Kampf. Seine Kralle prallte auf die von Evrèl.
Émine stieß einen Schrei aus und kroch rückwärts an den Rand des Daches heran. Sie sah nach unten, doch die Wand verlor sich irgendwo unterhalb des ersten Stockwerks in der Dunkelheit. Ein Sprung in die Tiefe bedeutete den sicheren Tod. Émine verwarf den Gedanken und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Geschehnisse in ihrer unmittelbaren Umgebung. Sie wollte die Hände vors Gesicht schlagen, sich die Ohren zuhalten und nichts von alldem an sich heranlassen, doch sie war es Evrèl schuldig, dass sie Zeugin seines letzten Kampfes wurde. Gegen diese Überzahl von Gegnern war er machtlos, auch wenn sein Vorhaben von Edelmut zeugte. Er schien sie wirklich geliebt zu haben …
Mit einer blitzschnellen Drehung tauchte Evrèl unter den Krallen seines Gegners hinweg, der daraufhin nach vorn stürzte und sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte. Er stieß gegen eines der Windlichte, das umstürzte und klirrend zerbrach. Das auslaufende Öl entzündete sich und tauchte das Dach für die Dauer eines Herzschlags in helles Licht.
Evrèl hatte das Unvermeidliche jedoch nur aufgeschoben, denn zwei weitere Asraviri sprangen auf ihn zu, die Gesichter zu hämischen Grimassen verzogen. Einer von ihnen, Émine, erinnerte sich nicht an seinen Namen, fuchtelte mit seinen Händen vor seinem Körper herum, sodass seine Krallen durch die Luft schnellten und ein pfeifendes Geräusch verursachten. Nun hatte sich auch L é once wieder aufgerappelt und reihte sich neben seine Kameraden ein, die Evrèl Schritt für Schritt rückwärts an den Rand des Daches trieben.
»Evrèl!«, schrie Émine. Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu. Seine weit aufgerissenen Augen zeugten von Panik und Todesangst, aber auch von Entschlossenheit und Liebe.
G é rard, der Asravir mit dem lichten Haar, machte einen schnellen Ausfallschritt nach vorn, gleichzeitig stieß er mit seiner mächtigen Klaue wie mit einer Lanze zu. Evrèl konnte sich nur durch einen schnellen Schritt zur Seite vor dem sicheren Tod retten.
»Du hast es nicht anders gewollt«, sagte G é rard. »Du hast dein Schicksal selbst gewählt.«
Dann geschahen
Weitere Kostenlose Bücher