5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
zu erwidern. Dabei wird mir erst klar, wie nahe wir uns sind. Normalerweise vermeidet Keenan Körperkontakt mit mir. Er hält mich auf Distanz.
Wow, es muss ihm wirklich leidtun!, denke ich und sage: »Schon okay.« Ich will nicht, dass er ein schlechtes Gewissen hat, auch wenn es ihm andersherum scheißegal wäre.
»Lana … « Ganz leise sagt er meinen Namen, und ich blicke auf. Versink e zum tausendsten Mal in seinen schokoladenbraunen Augen. Seine kurzen, ebenfalls dunkelbraunen Haare wiegen sich in der morgendlichen Brise. Er ist einfach so verdammt anziehend und sexy. Mein Unterleib zieht sich erwartungsvoll zusammen, während die Gepardin in mir brüllt: »Alles meins.«
»… wir müssen los. Es ist schon fast halb acht«, vollendet Keenan seinen Satz und tritt einen Schritt zurück. Seine Augen sind glasig, als wäre er auch in diesem Augenblick mit mir hängen geblieben. Doch das ist sicher nur Einbildung.
»Ja, du hast Recht.« Wieder will ich mich umdrehen, um ins Auto zu steigen, als mir etwas Glänzendes in Keenans Hand auffällt. »Du hast mir den Schlüssel geklaut!«
»Ich habe doch gesagt, ich fahre.« Seine Mundwinkel zucken.
Einen Moment lang stehen wir uns schweigend gegenüber. Wütend gehe ich alle Möglichkeiten im Kopf durch, entscheide mich aber dann doch dafür, einzusteigen und den Mund zu halten, denn nur so habe ich noch eine Chance, pünktlich zur Arbeit zu gelangen. Keenan ist ein Dickschädel; hat er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt, kann ihn niemand davon abbringen.
Zunächst schweigen wir beide. Doch dann gewinnt meine Neugier den Kampf gegen die Wut, und ich höre mich fragen: »Gibt es schon etwas Neues über die Tote … Anna?«
Keenan antwortet sofort. »Katharina hat sie mit in die Klinik genommen und die Autopsie schon heute Nacht vorgenommen. Wenn ich meine Besorgungen erledigt habe, schaue ich bei ihr vorbei, um die Ergebnisse abzuholen und mit ihr zurückzufahren.«
»Hm«, ist meine Antwort. Eifersucht steigt mir die Kehle hoch. Katharina ist eine sechsundzwanzigjährige Schönheit mit langen roten Locken. Sie ist nicht nur intelligent, nett und witzig, sondern auch noch in Keenans Alter. Außerdem verbringen die beiden viel Zeit miteinander, da sie hohe Stellungen im Rudel innehaben: Keenan als Krieger und zukünftiges Alphatier und Katharina als dominantes Weibchen und Ärztin.
Wieder ist es eine Weile still. Ich nutze den Moment der Ruhe, um meine aufkeimende Besitzgier zurückzudrängen. Was mir leider nicht gelingt. Mein Magen zieht sich zusammen, wenn ich daran denke, wie oft die beiden zusammenarbeiten.
»War sie gestern auch da?«, frage ich unschuldig.
»Ja. Wir haben ihr geholfen, die Leiche in die Klinik zu bringen. Außerdem haben wir den Tatort auf Spuren untersucht. Doch die Täter waren gut. Sie haben weder Fußabdrücke noch Gerüche hinterlassen.«
Ich nicke bloß. Ich komme mir so schäbig vor. Statt mich an der Suche nach Annas Mörder zu beteiligen, sitze ich hier und schiebe Eifersucht wegen etwas, das es nicht einmal wert ist. Trotzdem verschwindet das Bauchweh nicht, das ich bekomme, wenn ich mir die beiden zusammen und alleine vorstelle.
Neben mir raschelt es. Ich sehe zu Keenan, der gerade etwas aus der Arschtasche seiner hellen Jeanshose zu ziehen versucht. Keenans Stil beschränkt sich auf Jeanshosen, einfarbige T-Shirts und Kapuzenpullis.
»Hier.« Er reicht mir ein kleines Stückchen Papier.
Ich nehme es. Das Papier ist noch warm von seinem Körper. Ich sehe es an und lese laut vor: » Die tausend Tode. «
»Was ist das?«
»Ein Buch über Ritualmorde. Kannst du es bitte besorgen?«
»Ihr glaubt, es war ein Ritualmord?«
»Die Schnitte sind sehr zielgerichtet gesetzt und die blauen Flecken mit Präzision verteilt. Wir wissen nicht, ob es ein Ritualmord war. Aber ein Zufall war es ganz bestimmt nicht.«
Ich denke über seine Worte nach und rufe mir mit großem Widerwillen das Bild der Toten in Erinnerung. Die tiefen Schnitte auf Bauch und Brüsten. Die Handgelenke waren wundgescheuert, wie von Fesseln. Doch ich kann in den Verletzungen keinen Plan erkennen.
»Sie ist gefesselt gewesen, oder? An ihren Handgelenken waren Hautabschürfungen.«
»Ja, das ist mir auch aufgefallen.«
Ich spüre Keenans Blick von der Seite, schaue aber weiterhin durch die Windschutzscheibe meines schwarzen Polos.
»Du hättest das nicht sehen sollen. Wieso warst du überhaupt dort draußen?«
»Das geht dich nichts an.« Keenan ist mein
Weitere Kostenlose Bücher