5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
Gefährte. Unsere Seelen sind miteinander verbunden. Wir sind füreinander bestimmt, sozusagen füreinander geschaffen. Doch so fühlt es sich nicht an. Vor zwei Jahren, als Keenan vor meiner Tür stand und auf mich Anspruch erhob, konnte ich mir noch einreden, dass es reicht, wenn ich ihn liebe. Aber das tut es nicht.
»Doch, das tut es sehr wohl.«
»Nein, Keenan, das tut es nicht! Ich muss dich nicht um Erlaubnis fragen, wenn ich aus dem Haus will. Du bist nicht mein … « Bevor ich den Satz beenden und damit unser ohnehin schon heikles Verhältnis zerstören kann, bremse ich mich selbst.
»Was bin ich nicht?« Sein Zorn ist fast greifbar, seine Stimme ein Knurren.
Langsam atme ich aus, um mich wieder unter Kontrolle zu bringen. Keenan kann Gefühle in mir hervorbringen, von denen ich selbst noch keine Ahnung habe.
»Rede mit mir!« Ein weiteres Knurren. »Verdammt noch mal, rede endlich!«
»Du willst, dass ich mit dir rede. Nein, danke! Denn mit dir reden bedeutet: Du gibst Befehle, und ich folge ihnen. Ich bin nicht dein Schoßhündchen, das du herumschubsen kannst, wie es dir gerade passt.«
Nun ist es still. Ich habe so gebrüllt, dass meine Wut verpufft ist. Keenan wirkt verwirrt. Er ist es nicht gewohnt, dass ich ihm widerspreche oder mich wehre.
Wir sind noch eine Viertelstunde von München entfernt, und ich habe vor, sie nicht mit Reden zu verbringen, also drehe ich mich nach rechts, um aus dem Seitenfenster zu schauen. Die Landschaft zieht an uns vorbei. Grüne Wiesen, braune Felder und Sonnenblumen überall. Es ist Mitte Herbst, und die Bäume verlieren langsam ihre bunten Blätter.
Leider ist es auch früh am Morgen, und der Berufsverkehr sorgt für Stau. Keenan parkt in der Tiefgarage, die in dem Gebäude liegt, in dem ich arbeite.
Ich bin Auszubildende in einem Buchladen. Vor viereinhalb Monaten habe ich mein Abitur bestanden und im September als Buchhändlerin angefangen. Lesen ist meine große Leidenschaft, deshalb bin ich sehr glücklich dort.
Ich steige aus dem Auto, nehme meine Tasche und gehe neben Keenan aus dem Parkhaus.
»Ich besorge das Buch so schnell wie möglich und bringe es dir dann vorbei«, sage ich zu ihm, ohne ihn anzuschauen, und gehe an ihm vorbei. »Ich bin spät dran. Also bis heute Abend!« Es ist schon Viertel nach acht. Meine Schicht beginnt genau jetzt.
»Lana.« Er nimmt mein Handgelenk und dreht mich so, dass ich ihn ansehen muss. Ich verschränke die Arme vor der Brust und warte. »Dein Schlüssel.« Keenan legt ihn mir in die Hand und sieht mich an.
Einen Moment gönne ich mir noch, um in seinem Anblick zu versinken. Die muskulösen Schultern, das perfekt geformte Gesicht und die rauen Lippen eines Kriegers, die ich nur zu gern küssen würde.
Dann schnaube ich laut durch die Nase, drehe mich um und gehe davon.
3
Herr Ford, mein Chef und Ausbilder, ist ein gutmütiger Mann, der stets so wirkt, als wäre er mit den Gedanken woanders. Er bemerkt nicht einmal, dass ich zehn Minuten zu spät zur Arbeit erscheine.
Ich lege meine Jacke und meine Tasche im Personalraum ab und fange mit der Arbeit an. Stundenlang sortiere ich Bücher alphabetisch ein, zuerst die Krimiabteilung, danach die Kinderecke. In der Mittagspause setze ich mich an einen der Computer im ersten Stock und suche nach dem Buch für Keenan.
» Die tausend Tode «, flüstere ich, den Blick auf den Bildschirm gerichtet. Das Deckblatt ist schwarz, die Schrift darauf golden. Leider haben wir es nicht da, ich muss es bestellen. Es sollte noch diese Woche kommen, denke ich zufrieden.
Ich mag meine Arbeit. Irgendwie hat sie eine beruhigende Wirkung auf mich. Sie beschäftigt mich und weckt selbst das Interesse der Raubkatze in mir.
Ich stehe auf, hole meine Jacke und trete aus dem Laden. Ich gehe ein Stück weit an der Straße entlang, doch schließlich wird mir das Gedränge der Passanten zu viel, und ich nehme einen kleinen Umweg in Kauf, indem ich in eine Gasse einbiege. Nach zehn Minuten bin ich am Ziel: ein kleiner Park mit einer weiten grünen Fläche.
Der Himmel hat sich am Vormittag aufgeklärt, und die Sonne scheint durch, einer der letzten schönen Tage des Herbstes. Auf der Wiese sind viele Leute: Kinder spielen auf Decken, Senioren gehen mit ihren Hunden Gassi und Liebespärchen knutschen im Gras. Ich setze mich unter eine große Eiche, lehne den Kopf zurück und beobachte die Parkbesucher.
Der Wind zupft Blätter von den Bäumen, und es raschelt überall. Auf meinem Arm bildet
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