5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
wird immer lauter, fast schreie ich. All mein Zorn liegt in diesen Worten. Ich habe Keenan noch nie so angegiftet. Verwundert sehen wir uns beide an. Dann atme ich erschöpft aus und verschwinde im Bad. Die heiße Dusche, die ich mir gönne, tut gut.
Zwei Tage, denke ich wütend, er hat sich nach unserem ersten Kuss zwei Tage lang nicht blicken lassen. Und jetzt, wo ich ihm nicht mehr nachlaufe und Distanz wahre, passt es ihm auch nicht.
Das Problem ist: Ich kann nicht mehr zurück. Keenan jeden Tag zu sehen, ohne ihn anfassen zu dürfen, ist schon hart. Aber nun so zu tun, als wären wir Freunde, obwohl er mein Geliebter, mein Partner sein sollte, ist zu viel. Früher war das okay. Es war schmerzhaft, aber auszuhalten. Doch was genug ist, ist genug. Ich habe gekämpft. Doch da habe ich noch nicht gewusst, dass es nichts gibt, worum ich kämpfen kann.
Gefährten sind aneinander gebunden, sobald sie sich gefunden haben. Stirbt einer der beiden, ist es für den anderen fast unmöglich, weiterzuleben. Natürlich erst, nachdem sie den Bund akzeptiert haben, was bei mir und Keenan nicht der Fall ist, auch wenn ich mich so sehr danach sehne. Obwohl ich mir sicher bin, dass ich es selbst ohne dieses Band nicht überleben würde, wenn Keenan etwas zustoßen würde.
Ich schäume mich mit Duschgel ein und massiere mir Shampoo ins Haar. Keenan sitzt auf dem Sessel neben der Badezimmertür. Das weiß ich, weil ich ihn spüre. Wie immer, wenn er in meiner Nähe ist. Manchmal erschreckt mich die Intensität meiner Gefühle, aber für meine Katze ist das ganz normal. Er ist mein Gefährte. Ich reagiere auf ihn.
Nur warum reagiert er dann nicht auf mich?
Meine Gepardin fährt ihre Krallen aus, da sie der Gedanke wütend macht. Außerdem riecht sie ihn sogar hier in der Dusche klar und deutlich. Meine Haare kribbeln.
Ich steige aus der Dusche und wickle mich in ein großes weißes Handtuch. Ich kämme meine nassen Haare und putze mir die Zähne. Danach lasse ich das Handtuch fallen und will mich gerade anziehen, als mir ein Gedanke durch den Kopf schießt. »Du musst dich aufreizender anziehen, Lana. Sei sexy. Zeig ihm, was er verpasst.« Amanda hat das zu mir an meinem siebzehnten Geburtstag gesagt und mir ein kurzes, schwarzes Minikleid geschenkt, das mehr zeigt, als es verdeckt. Entschlossen hebe ich das Handtuch wieder auf und gehe aus dem Bad. Geradewegs auf das Bett zu.
Ohne Keenan eines Blickes zu würdigen, schlüpfe ich unter die Decke, ziehe das Handtuch heraus und lasse es auf den Boden fallen. Ein tiefes Knurren ist meine Belohnung. Ich sehe Keenan mit zusammengekniffenen Augen an, schalte das Licht aus und lehne mich zurück. Ich starre an die Decke, doch Keenans feuriger Blick entgeht mir nicht.
Wenn wir Gestaltwandler großen Emotionen ausgesetzt sind, treten unsere Tiere besonders stark hervor. Die Stimme wird zu einem Knurren oder Fauchen, die Krallen fahren aus, und die Augen werden zu denen unseres Tieres. Es ist nichts Neues für mich, einzuschlafen, während dieser raubtierhafte Blick auf mir ruht.
Keenan schläft oft hier. Nie in meinem Bett, aber in dem schwarzen Sessel in der Ecke meines Schlafzimmers. Manchmal merke ich auch, wie er sich heranschleicht und sich auf einen Ast der großen Birke, die neben meinem Haus steht, legt. Dort schläft er dann. Und wacht über mich.
Ich habe es ihm noch nie gesagt. Dass ich weiß, dass er meine Nähe sucht. Und das werde ich auch nicht, ist mein letzter Gedanke, bevor ich einschlafe.
Als ich aufwache, ist es kurz vor sieben Uhr. Der Wecker hat noch nicht geklingelt; ich schalte ihn ab, bevor das nervtötende Geräusch erklingt.
Mein Blick wandert zu Keenan. Er schläft noch. Seine Brust hebt und senkt sich gleichmäßig. Er sieht so friedlich aus, fast unschuldig. Wenn man ihn so sieht, würde man nie auf den Gedanken kommen, was für ein Dickkopf er ist. Die Sonne scheint ins Zimmer und bedeckt sein Gesicht mit glänzenden Farben. Einen Moment überlege ich, ihn aufzuwecken, entscheide mich aber dann doch dagegen. Gähnend strecke ich mich, greife nach dem Handtuch und stehe auf. Auf Zehenspitzen will ich mich leise an Keenan vorbei ins Bad schleichen. Leider gelingt es mir nicht.
»Morgen.« Er klingt, als hätte mein Erwachen ihn aus dem Schlaf gerissen.
»Morgen«, antworte ich und verschwinde im Bad.
Ich treffe Keenan in der Küche wieder. Er hat mir eine heiße Schokolade gemacht, ein Glas Wasser hingestellt und ein Honigbrot
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