5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
körperlichen Nähe und verharre.
Als ich wieder in die Realität zurückkehre, höre ich Elias gerade noch sagen: »Sie war schon tot, bevor man sie in den Wald geschleppt und dort abgelegt hat. Wir konnten nichts mehr für Anna tun. Sie lag dort schon seit zwei Stunden, als Lana sie fand.« Es folgt eine kurze Pause, und ich merke, wie alle mich anstarren. Keenan greift nach meiner Hand und drückt einmal fest zu. Er will mir sagen, dass er da ist. Dass ich nicht allein bin.
Ich entziehe ihm meine Hand und weiche seinem Blick aus. Denke an meinen Entschluss, Abstand halten zu wollen.
»Dafür ist es umso wichtiger, die Täter zu finden. Damit sie ein für alle Mal wissen, dass sie sich nicht mit uns anlegen sollten. Und damit die Sicherheit unserer Kinder und Frauen gewährleistet ist. Und natürlich auch um Annas Tod zu rächen.« Ein lautes »Ja!«, das das gesamte Rudel hinausschreit, ist die Antwort.
Keenan erhebt sich und stellt sich neben Elias. »Leider wird das nicht so einfach. Die Täter haben keine Spuren hinterlassen und ihren Geruch mit so viel Parfum überdeckt, dass selbst die Leiche danach stinkt.« Bei seinen harten Worten zuckt Annas Mutter zusammen, als hätte man sie geschlagen. »Deswegen habe ich auch Simon Bescheid gegeben.«
Alle sehen Elias an. Simon ist der Vermittler des Rudels. Jedes Rudel besitzt mindestens einen. Sie reisen durchs Land und suchen nach allein lebenden Gestaltwandlern, abseits eines Rudels. Simon sucht natürlich nach Leopardengestaltwandlern, die sich vielleicht gerne unserem Rudel anschließen würden. So stärken wir unsere Gemeinschaft und helfen gleichzeitig diesen Einzelgängern – vorausgesetzt, sie wollen sich helfen lassen. Denn ein einsamer Gestaltwandler in einer Welt voller Menschen zu sein ist nicht besonders sicher. Zudem sind die meisten Länder unter den Gestaltwandlern aufgeteilt; diese Territorien dürfen Einzelgänger nicht betreten.
Für solche Dinge ist ein Vermittler zuständig. Doch man kann nicht eines Tages einfach so beschließen, ein Vermittler zu werden. Simon ist so geboren worden. Seine Stimme ist beruhigend und besänftigend. Man könnte sogar sagen, dass sie hypnotisierend wirkt. Außerdem hat er eine sehr ausgeglichene Art und ein einladendes Wesen. Es gibt kaum jemanden, der ihn nicht mag. Leider ist er wegen seines Jobs viel unterwegs und kommt nur selten nach Hause. Eine weitere Fähigkeit, die er besitzt, ist sein außergewöhnlicher Geruchssinn. Wir Gestaltwandler haben alle feinere Nasen als Menschen, aber Simon setzt dem Ganzen noch eins drauf: Er ist in der Lage, einen Geruch in seine Einzelteile zu zerlegen, und erkennt ihn unter Hunderten wieder. Als wir Kinder waren, hat er mir einmal erklärt, dass er nie einen Geruch vergisst. Ich war damals acht und er zehn Jahre alt. Einmal hat er mir einen Gänseblumenstrauß geschenkt und gesagt: »Du riechst wie Vanilleeis.« Er war drei Jahre lang in mich verliebt, ich habe seine Gefühle aber nie erwidert. Simon ist ein hübscher Junge gewesen und nun ein begehrenswerter Junggeselle.
Ich höre auf, in meinen Erinnerungen zu schwelgen, und höre wieder dem Alphatier zu: »Katharina hat die Schnitte und Stiche untersucht. Sie sind alle gezielt gesetzt worden und haben die gleiche Tiefe. Alles weist auf einen Ritualmord hin. Lana besorgt uns ein Buch darüber. Also können wir bald mehr sagen. Ich bitte euch also, auf euch aufzupassen. Geht nicht alleine aus dem Haus, und falls es etwas Neues gibt, meldet euch bitte sofort bei mir.«
Alle stehen auf. Verabschieden sich einzeln von Elias und Keenan. Richten ihr Beileid an Annas Eltern und gehen schließlich nach Hause. Ich warte, bis der erste Schub verschwunden ist, und gehe schließlich auch zu ihnen. »Es tut mir wirklich sehr leid.« Sie nicken nur. Bringen kein Wort heraus. Schweigend gehe ich aus dem Raum und steige ins Auto zu Amanda und Kevin, die auf der Rückbank Platz genommen haben.
»Du hast mich nicht mal angerufen. Ich wäre vorbeigekommen oder … «, sagt Amanda.
»Oder was? Du hättest nichts tun können. Genauso wie ich. Ich habe sie nur gefunden. Es war kein schöner Anblick, aber ich hab’s überlebt. Sie nicht.«
Nun ist es still, und das finde ich auch gut. Ich lasse die beiden vor Amandas Hütte aussteigen und verabschiede mich.
»Wenn du heute Nacht bei uns schlafen willst, dann sag es nur.«
»Nein, danke. Genießt den morgigen Tag. Gute Nacht.«
4
Erschöpft stelle ich den Motor ab. Der Blick von
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