5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
geschmiert.
»Danke«, sage ich erfreut und beiße genüsslich ins Brot.
»Können wir jetzt reden?« Wieder ein Befehl.
»Haben wir das gestern nicht schon gemacht?«
»Nein, haben wir nicht!«
Ich sage nichts und trinke einfach meine heiße Schokolade.
»Ich werde dich jetzt immer zur Arbeit fahren und abholen.« Ich stelle die Tasse krachend auf dem Tisch ab.
»Wenn du in die Stadt oder zu Amanda möchtest, will ich Bescheid wissen. Dann bringe ich dich dorthin.«
Ich spüre, dass mein Mund offen steht, schließe ihn aber erst, um etwas zu sagen. »Nein.«
»Ich habe dich nicht um Erlaubnis gefragt.«
»Das tust du nie.«
Keenan tritt hinter mich. Eine Hand fängt an, mit meinem Haar zu spielen. »Ich mag deine Locken.« Am liebsten würde ich mich an ihn schmiegen. Und genau das weiß Keenan. Er will mich schwach und gefügig machen. Ich stehe auf und wackle mit dem Kopf wie ein geschlagener Hund: »In Ordnung.«
»In Ordnung?« Keenan klingt überrascht.
»Ich habe ja doch keine Wahl«, entgegne ich.
»Gut. Ich gehe nur schnell auf die Toilette und dann können wir los.«
Ich nicke. Doch in dem Augenblick, als ich die Tür im ersten Stock zufallen höre, renne ich los. Greife nach meinem Schlüssel, nach meiner Tasche und Jacke und sprinte aus dem Haus.
Ich starte den Wagen und fahre los.
Als ich an der Haustür vorbeifahre, sehe ich noch, wie Keenan wütend auf mein Auto zurennt. Schnell gebe ich Gas und lasse ihn schon nach ein paar Sekunden hinter mir. Erst als ich an der Landstraße ankomme und den Wald verlasse, gehe ich vom Pedal. Ein Stückchen fahre ich noch schneller als erlaubt, bis ich mich beruhigt habe.
Zuerst bin ich angespannt, so als könnte Keenan jeden Moment auf die Straße springen, dann muss ich plötzlich anfangen zu lachen. Laut und befreit.
Keenan lässt sich die nächsten zwei Tage nicht mehr blicken. Ich glaube, er ist beleidigt. Sauer, weil ich ihn ausgetrickst habe, aber nicht so sauer, dass er sich nicht in der Nacht an mein Haus anschleicht, um nach mir zu sehen. Es ist wieder Normalität eingekehrt. Das denke ich zumindest.
Als ich am Freitagabend nach Hause komme, habe ich endlich das bestellte Buch dabei. Amanda wartet auf mich. Ich sehe ihr an, dass irgendetwas nicht stimmt. Sie wirkt nervös, besorgt. Ich beeile mich auszusteigen.
»Lana! Oh, mein Gott, du lebst! Ich dachte … du … « Eine Träne rollt über Amandas Wange. Sie umarmt mich so fest, dass mir die Luft wegbleibt. Schließlich schaffe ich es aber doch, mich von ihr zu lösen, und antworte: »Wieso sollte ich nicht mehr leben?«
»Na ja, du hast dich die letzten drei Tage nicht gemeldet und auf meine Anrufe gestern Abend nicht reagiert.« Es folgt eine kurze Pause, als sie Luft holt. »Es gibt eine weitere Leiche.«
Entsetzen und Angst bilden einen Knoten in meinem Magen. »Was … wer … ?«
»Sabrina … Landerer.« Sabrina war in meiner Klasse. Wir haben zusammen fürs Abitur gelernt. Sie war eine Freundin.
»Wie … ?«
»Sie wurde genauso wie Anna gefunden, hat die gleichen Wunden. Jeder Schnitt stimmt überein.«
Plötzlich fällt es mir ein: »Ich muss Keenan das Buch bringen!« Sofort drehe ich mich um, um wieder ins Auto zu steigen, doch meine beste Freundin hält mich fest.
»Das kannst du nicht. Er ist nicht hier.«
Verwirrt runzle ich die Stirn und sehe sie fragend an.
»Simon ist heute angekommen. Er hat beide Tatorte untersucht. Und rate mal, was er gefunden hat!« Statt zu raten, warte ich auf die Antwort. »Bei beiden Mädchen lag in ein paar hundert Meter Entfernung eine Feder. Eine Eulenfeder. Sie waren vom Laub bedeckt gewesen, deswegen haben die Krieger sie nicht gewittert.«
»Die blauen Eulen? Sie haben uns noch nie etwas getan und wir ihnen ebenso wenig. Wieso sollten sie uns angreifen?«
»Ich kenne den Grund nicht, Lana, aber die Feder ist doch Beweis genug, dass sie es getan haben.«
Irgendetwas ist faul an der Sache. Ich denke an das, was ich heute in dem Buch gelesen habe, über einen der Ritualmorde. »Nein, das beweist gar nichts. Wenn es die Eulen gewesen wären, dann wären sie vorsichtiger vorgegangen und hätten keine Federn auf unserem Revier verloren. Außerdem hätten sie keine Waffen benutzt, um die Mädchen zu töten, sondern ihre Krallen eingesetzt. Ich muss sofort zu Keenan!«
»Nein, du … « Bevor sie mich aufhalten kann, springe ich ins Auto und fahre los.
5
Ich renne, so schnell ich kann. Laufe und bete, dass ihm nichts passiert
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