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5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

Titel: 5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: e-book LYX
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sie schwerer macht. Dann lasse ich los. Lasse die Schultern sinken, entkrampfe die Hände und lasse mich einfach fallen.
    Und da sind sie auch schon. Die Tränen, die ich so lange zurückgehalten habe. Der Schmerz trifft mich wie eine Faust, drückt mir auf die Brust. Ich schnappe laut nach Luft, während die Tränen einfach so fließen, über meine Wangen, in meinen Mund, meinen Hals entlang. Schon bald bekomme ich kaum noch Luft, doch ich weine immer lauter. Bis ich beinahe schreie.
    Nach einer Ewigkeit habe ich mich wieder beruhigt, atme tief durch und blicke hinunter zu meinen Füßen, wo mein Spiegelbild mich verzweifelt ansieht. Vorsichtig gehe ich weiter ins Wasser, bis es meine Nase und meinen Mund bedeckt. Dann tauche ich ab. Setze mich auf den Boden des Sees, schlinge die Arme um die angewinkelten Beine und genieße die völlige Stille des Wassers. Es ist kalt, leer und gefühllos. Genauso wie ich mich jetzt fühlen will. Doch mein Körper lässt das nicht zu.
    Selbst hier im kühlen Wasser spüre ich die Wärme meiner Tränen, das schmerzhafte und laute Schlagen meines Herzens, das nach Erlösung von dieser Last schreit.

9
    Der raue Waldboden kratzt an meinen Füßen, als ich langsam in Richtung Zivilisation gehe. Ich versuche auf moosbewachsenen Stellen zu laufen, um meine ohnehin schon wunden Füße zu schonen. Bei jedem meiner Schritte tropft Wasser auf den Boden. Meine Kleidung klebt an mir und macht jede Bewegung schwer und anstrengend.
    Mittlerweile ist es schon später Nachmittag, und die Sonne geht unter. Die kalte Abendluft fährt mir über die Glieder. Bringt mich zum Zittern und meinen Atem zum Stocken. Gänsehaut überläuft mich, und einen Moment lang glaube ich tatsächlich, dass der kalte Wind daran schuld ist. Doch dann rieche ich es.
    Schweiß, herbe Kräuter und etwas anderes, das ich nicht zuordnen kann. Doch eins kann ich mit Gewissheit sagen: Dieser Geruch stammt weder von einem Tier noch von einem Rudelgefährten.
    Jetzt, wo ich genauer hinhöre und aufpasse, höre ich die Atemzüge hinter mir. Spüre die Gefahr. Vorsichtig gehe ich weiter. Tue so, als hätte ich nichts bemerkt, während ich in Wahrheit auf jedes verdächtige Geräusch lausche.
    Und dann höre ich es: ein Rascheln, ein leises Flüstern. Ich renne los. Laufe, so schnell ich kann.
    Mein Vorteil ist meine tierische Natur. Ihr Vorteil ist, dass ich müde vom Schwimmen und Rennen bin.
    Doch ich werde mich nicht fangen lassen.
    Schwere Schritte hinter mir. Laute, wütende Rufe. Dann ein seltsames Schnappen. Eigentlich lernen wir schon als Kinder, nie zurückzuschauen. Doch meine Neugier und meine Angst gewinnen die Oberhand, und ich drehe mich um. Am Boden hinter mir liegt ein Netz, das mich nur um Haaresbreite verfehlt hat. Die Männer sind schon weiter zurück.
    Gerade will ich ausatmen, erleichtert darüber, dass ich in Sicherheit bin, als ich einen leichten Luftzug von oben spüre. Erschrocken bleibe ich stehen und hebe den Blick. Der Mann ist massig, steht aber mit beiden Beinen fest auf dem Ast der Eiche. Seine schwarzen Haare hängen ihm tief ins Gesicht. Aus der Ferne schimmern seine Augen in einem unheimlichen Gelb.
    Es ist, als würde die Zeit stillstehen. Jeder wartet auf einen Fehler oder ein verräterisches Zucken des anderen. Dann hebt er die Hand an seine Hüfte, und ich renne los, will überhaupt nicht wissen, wonach er greift.
    Aber die Bestätigung meines Verdachts lässt nicht lange auf sich warten. Schüsse ertönen. Einer schlägt in unmittelbarer Nähe in einen Baum ein. Ich laufe weiter.
    Mit der Zeit werde ich immer schneller. Ich laufe, ohne die Anstrengung zu spüren. Nach mir endlos scheinenden Minuten bin ich wieder in der Nähe meines Rudels. Ich schmecke den Geruch der Krieger, die unser Revier markiert haben.
    Sofort fühle ich mich sicher, und ich laufe langsamer, bis ich schließlich gehe. Eine seltsame Stille umgibt mich, dringt in mich ein und füllt mich aus. Ich lasse mich auf den Hintern plumpsen. Als ich ein Geräusch höre, fahre ich erschrocken herum, doch als ich Simons Gesicht sehe, fühlt es sich an, als wäre ich zu Hause angekommen.
    »Lana … wie siehst du denn aus? Alles in Ordnung?« Erst jetzt wird mir klar, dass ich in der Nähe seiner Hütte bin. Er muss mich wohl gerochen haben.
    Langsam kämpfe ich mich wieder auf die Beine, schlinge die Arme um ihn und vergrabe das Gesicht zwischen seinem Hals und seiner Brust. Ein überraschter Laut dringt aus Simons Mund, dann aber

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