5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
Ich werde kämpfen, und ich werde diese gerade gewonnene Wärme nicht aufgeben. Langsam lehne ich mich noch weiter vor und strecke mich noch nach oben, während ich die Lippen öffne. Ich spüre, wie Simon mir entgegenkommt … und dann einen scharfen Luftzug. Ein lautes Krachen ertönt, als Körper auf Körper trifft.
Erschrocken öffne ich die Augen und sehe, wie Keenan auf Simon sitzt und auf sein Gesicht einschlägt.
»Ich mach … dich fertig! Du Arschloch!«
»Beruhig dich! Verdammte Scheiße!«, schreit Simon, während er versucht, Keenan von sich herunterzudrücken. Irgendwann gibt er es auf und schlägt zurück. Beide rollen sich am Boden. Schlagen immer wieder zu.
Die ersten paar Sekunden stehe ich wie angewurzelt da. Verstehe nicht, was geschehen ist. Fühle mich schuldig. Dann schreie ich: »Hört auf! Verdammt, hört auf!«
Ich renne auf die beiden Kämpfer zu und versuche sie auseinanderzubringen, doch es gelingt mir nicht.
»Ich bring dich um!« Keenans Stimme ist fast ein Knurren. Nur schwer sind die einzelnen Wörter herauszuhören. Auch Simon knurrt und faucht. Krallt, kratzt und beißt zu.
Doch er hat keine Chance. Keenan ist ein Alphatier. Viel stärker als alle anderen. Der Einzige, der ihn aufhalten könnte, wäre Elias. Doch bis ich ihn geholt habe, ist Simon bereits tot.
»Hör auf! Keenan, bitte! Hör auf!«, schreie ich immer schriller, während ich von hinten versuche, ihn von Simon herunterzuziehen. Überall ist Blut, und der metallische Geruch tränkt die Luft um mich herum. Meine Raubkatze kommt zum Vorschein, nun fauche auch ich. Verzweifelt versuche ich Keenan zu stoppen.
Dann plötzlich gelingt es Simon, Keenan einen kräftigen Stoß zu versetzen, sodass er hart gegen einen Baum fällt und sich am Kopf verletzt. Ein paar Sekunden, in denen er handlungsunfähig ist.
»Simon, lauf weg und hol Elias!«, rufe ich Simon zu, der Keenan gegen den Baum drückt.
»Nein!«, gibt Simon zurück und spuckt Blut auf den Boden. »Ich halte Keenan auf, und du holst Elias!«
Keenan kommt wieder zu sich. Langsam hebt er den Kopf. Sein raubtierhafter Blick trifft mich, und ich weiß, was ich zu tun habe. »Ich mach das schon. Simon, hörst du? Ich kümmere mich um ihn!«, sage ich, den Blick weiter auf Keenan gerichtet.
Dann lasse ich meiner Gepardin freien Lauf, spüre, wie sich meine Augen, meine Stimmbänder verändern. Ich brülle … und laufe los. Im Zickzack durch den Wald. Ein wütender Leopard ist hinter mir her. Mein Puls rast, und der Mensch in mir bekommt Panik. Doch meine Katze genießt es. Bekommt endlich den Paarungstanz, den sie sich schon immer gewünscht hat. Auch wenn er nicht so ist, wie sie sich ihn vorgestellt hat.
Es ist seltsam zu beschreiben, aber ich fühle Vorfreude auf ein Spiel, während ich Angst habe, es zu verlieren. Meine beiden Seiten prallen aufeinander, doch wer gewinnt, steht schon fest. Denn selbst wenn meine Angst die Oberhand gewinnen würde, wäre es schon zu spät. Keenan hat Witterung aufgenommen. Er wird nicht anhalten, bevor er mich hat. Wird nicht aufhören, nur weil ich darum bettle.
Laute Schritte hinter mir. Ein Schnaufen. Mir ist, als würde ich seinen warmen Atem im Nacken spüren. Und ich laufe noch schneller. Als wäre ich heute nicht schon genug gerannt.
Ich bin ein Gepard. Wir sind die schnellsten Tiere dieses Planeten. Doch Keenan ist ein Alphatier, also mir gewachsen. Trotzdem dauert es nur ein paar Minuten, bis ich das Schnaufen hinter mir nicht mehr höre und alleine im dunklen Wald umherirre.
Nach ungefähr zehn Minuten halte ich an, weil ich verstanden habe, wohin Keenan mich gelockt hat. In sein Gebiet. Sein Haus ist nur fünf Minuten entfernt. Erschöpft und verschwitzt überlege ich, in welche Richtung ich weiterlaufen soll.
Doch dazu komme ich nicht. Als ich weiterrennen will, springt Keenan von einem Baum über mir und packt mich noch im Lauf. Kopfüber hänge ich an seinem Rücken und strample mit den Füßen: »Lass mich runter! Verdammt, Keenan, reiß dich zusammen und komm wieder zu dir!« Doch meine Worte erreichen ihn nicht, und irgendwann höre ich auf, mich zu wehren. Erschlaffe und bete, dass ich aus diesem Albtraum lebend herauskomme.
Ich weiß schon, wo er mich hinbringt. Männchen, die ihr Weibchen verteidigen und für sich haben wollen, bringen es immer zu ihrer Höhle, zu ihrem Nest, wie auch immer man dazu sagen will. Es wundert mich also nicht, als ich mich kurz darauf in seinem Schlafzimmer wiederfinde,
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