5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
nicht, ob sie auf Demi warten sollte. Sie war zu durcheinander, ihre Gefühle waren ein reines Chaos. In diesem Zustand wollte sie ihrer Mutter nicht gegenübertreten. Nicht, wenn die Fragen nach ihrer Vergangenheit ihr auf der Zunge lagen. Sie hatte so oft nach Details gefragt, gehofft, damit kämen ihre eigenen Erinnerungen zurück, doch ihre Mutter bestand darauf, dass sie sich selbst erinnern musste, und hatte ihr nur sehr wenig von früher erzählt.
Mit schwerem Herzen legte Corrie sich schlafen.
***
Persephone saß am Fenster des Zimmers, das sie im Palast in der Unterwelt bewohnte, und blickte hinaus auf Elysion, während sie ihr Haar kämmte. Sie beobachtete ein paar Kinder, die dort unten miteinander spielten.
»Was betrübt dich so?«
Sie blickte über ihre Schulter zu Hades, der in der Tür stand und sie mit gerunzelter Stirn ansah.
»Wie kommst du darauf, dass ich betrübt bin?«
»Willst du mir sagen, du bist es nicht?« Hades kam durch den Raum auf sie zu und stellte sich hinter sie ans Fenster. »Also, sagst du mir, woran du denkst?«
Persephone seufzte und legte die Bürste zur Seite.
»Die Kinder, die dort unten spielen, haben mich nur an etwas erinnert. Ich weiß, es ist egoistisch und schrecklich, so etwas zu sagen, aber selbst im Tod scheinen sie glücklicher, als ich es in meiner Kindheit je war.« Sie warf einen schnellen Blick auf Hades, doch dieser sah sie einfach nur an und wartete darauf, dass sie ihm erklärte, was sie meinte.
»Meine Mutter hat mich vor allem und jedem abgeschottet. Erst als ich schon halb erwachsen war, erlaubte sie mir, mit den Nymphen zu spielen, davor gab es nur sie und mich und ihre Pflanzen. Spielzeug empfand sie als überflüssig. Es gab nichts, das ich mein Eigen nennen konnte, wie das Mädchen dort unten seine Puppe.« Persephone lachte humorlos auf und schüttelte den Kopf. »Nicht einmal einen Namen hat sie mir gegeben. Kore, ihr Mädchen. Mehr bin ich nicht. Mehr hab ich nicht.«
Persephone ließ ihren Kopf sinken und wandte sich von Hades ab. Sie wünschte, er hätte sie nicht in diesem Augenblick gesehen. Als sie seine Hand auf ihrer Wange spürte, schloss sie die Augen. Doch Hades drehte sanft ihren Kopf, sodass er sie ansehen konnte, und nahm ihr Gesicht in beide Hände.
»Aber du hast einen Namen, meine Persephone. Mein Herz, mein Leben. Und du hast mich. Ich bin einzig und allein dein.«
Langsam öffnete sie die Augen und sah ihn an. Sein Gesicht war so nah vor ihrem, sie konnte ihn fast nicht mehr erkennen. Aber seine Augen, diese grauen, ehrlichen Augen, die konnte sie sehen.
»Mein?«, fragte sie fast lautlos, als sie seinen Atem auf ihrer Wange fühlte.
»Dein«, antwortete Hades. Seine Lippen strichen federleicht über ihre, lockten, neckten sie, und es war an Persephone, die letzten Zentimeter zwischen ihnen zu schließen. Sie spürte, wie er lächelte, als sie die Hände in seinen Nacken legte und ihn zu sich zog, um ihn zu küssen. Ihre Augen schlossen sich erneut, als sie das Gefühl genoss, endlich dort zu sein, wo sie hingehörte.
***
Am nächsten Morgen stocherte Corrie lustlos in ihrem Müsli herum. Wenn sie sich am Abend zuvor verunsichert gefühlt hatte, so hatten die letzte Nacht und der Traum, den sie gehabt hatte, nur noch für mehr Verwirrung gesorgt. Dass ihr Kopf bereits seit dem Aufwachen schmerzte, half nicht gerade dabei, ihre Stimmung zu heben.
Ihre Mutter war längst bei der Gartenarbeit und hatte Corrie auch schon aufgefordert, ihr zu helfen. Heute jedoch blieb Corrie einfach sitzen. Als ihr Müsli in der Milch aufgeweicht war, goss sie es schließlich in den Abfluss und zog sich an. Sie hatte die Kette bereits umgelegt, konnte sich aber nicht dazu überwinden, mit ihr aus dem Haus zu gehen, und zog sie im letzten Moment wieder aus, um sie abermals im Nachttisch zu verstecken. Ohne noch einmal nach ihrer Mutter zu sehen, machte sie sich auf den Weg zu Enid.
»Hey.« Enids Lächeln verblasste, als sie Corrie genauer ansah. »Du siehst aus wie der wandelnde Tod. Ist alles in Ordnung?«
»Ich weiß nicht«, gestand Corrie und ließ sich von Enid in ihr Wohnzimmer und aufs Sofa führen.
»War etwas bei dem Date mit Aides?«
Corrie schüttelte den Kopf, nickte dann und zuckte schließlich mit den Schultern. Enid sah ihre Freundin verwirrt an. Corrie seufzte und schloss für einen Moment die Augen.
»Hast du eine Kopfschmerztablette für mich? Es ist heute unerträglich.«
»Ja, natürlich, ich hol dir gleich
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