5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
hinauszuwerfen?
»Ich lasse mir nichts von dir befehlen. Die Einzige, die mir in diesem Institut Befehle erteilen darf, ist Miss Darcy!«
Matt durchquerte den Raum mit gemächlichen Schritten und näherte sich lässig der Weinflasche.
»Wenn Miss Darcy nicht gewollt hätte, dass ich mich hier aufhalte, hätte sie mir den hier kaum überlassen, nicht wahr?« Provokant wedelte er mit dem Brief vor Lizas Nase herum. Eine Weile starrte sie ihn böse an, dann seufzte sie ergeben und begann, sich die Schläfen zu massieren, was ihn an Grace erinnerte. Verdammt.
»Die Fängerin Kelly wurde tot aufgefunden. Es sieht fast aus, als sei sie von einem Hochhaus gestürzt.«
Das fast entging Matt keineswegs.
»Und jetzt sag mir endlich, wo Grace ist«, knurrte ihn Liza verärgert an.
Das war allerdings unerwartet. Unter all den Sachen, die Matt gerne brüllen wollte, blieb ihm letztendlich nur die Wahrheit. »Sie sollte doch eigentlich bei dir sein.«
War das eine Falle? Ein Test? Liza hob nur misstrauisch eine Augenbraue und ließ ihren Blick blitzschnell durchs Zimmer gleiten.
»Ich wiederhole mich nur ungern: Wo ist Grace? Wenn du ihr irgendetwas angetan hast, dann werde ich dich persönlich zerreißen, verlass dich drauf! Sie ist doch nicht etwa im Wandschrank eingesperrt oder …?«
Mal davon abgesehen, dass er nicht einmal wusste, dass es einen Wandschrank gab, steckte Liza ihn mit ihrer Nervosität an. Wenn die Kontrollfreaks anfingen auszurasten, war die Sache ernst …
»Als sie den Raum verlassen hat, war sie auf dem Weg zu dir, Liza. Sie weiß, wie ernst die Lage ist. Sie würde sich nicht vom Institut entfernen. Nicht, solange sie nicht weiß, was mit Kelly geschehen ist. Sie ist mit dem Fahrstuhl in den zweiten Stock gefahren, der führt doch nur zu dir, oder?«
Liza nickte. »Ja, sie war sogar in meinem Zimmer, aber ich war nicht da. Die Wächter haben gefragt, ob sie mir etwas ausrichten lassen will, aber sie hat verneint. Dann ist sie nach draußen gegangen …«
Nach draußen. In Matts Kopf rasten die Gedanken.
»Ich habe mich schon gewundert, wieso sie mich nicht einfach angefunkt hat …«, fuhr Liza fort.
»Angefunkt? Liza, ruf Grace jetzt an, sofort!« Matts Stimme duldete keine Widerrede. Obwohl er den kleinen Stöpsel in Lizas Ohr nur erahnen konnte und sich das Mikro unter ihren Haaren verbarg, wusste er doch, dass sie es ständig trug.
»Ausgeschlossen. Ich rufe Miss Darcy nur in Notfällen an.«
» LIZA !« Matts Stimme brach. Tief in ihm war dieses unbändige Verlangen, ihre Stimme zu hören. Und die übermächtige Angst, dass ihr etwas passiert sein könnte. Von hier bis zum Nebengebäude brauchte man vielleicht vier Minuten. In der vergangenen Zeit hätte Grace Liza zehnmal begegnen müssen. Lizas Augen weiteten sich. Endlich schien sie zu verstehen.
»Miss Darcy? Miss Darcy? Grace?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein unsicheres Flüstern.
»Geht sie nicht ran?«, fragte Matt, während er vor Liza auf und ab ging, um auch ja kein Wort zu verpassen, das Grace sagen würde.
»Sie kann nicht nicht rangehen. Ihr Mikro ist so eingestellt, dass sie umgehend und jederzeit erreichbar ist, zu jeder Tages- und Nachtzeit und rund um die Uhr. Wenn die Batterie leer ist, wechselt sie automatisch auf Notstroooo …«
Blitzschnell hatte Matt sich Liza genähert und ihr die feine, kaum sichtbare Apparatur nicht ohne Gegenwehr entrissen.
»Grace? Gracy! Antworte, verdammt! Hörst du mich? Gracy, ich weiß, dass du sauer bist, aber bitte antworte! Gracy, es ist wichtig.« Er brüllte so laut er konnte in das kleine Mikrofon.
»Was soll das?«, schrie Liza aufgebracht, doch er hielt ihr den Mund zu, als sich am anderen Ende der Leitung etwas tat.
»Maaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaatt!« Ein röchelnder, schmerzverzerrter Laut. Es war Grace!
Ein tiefes Luftholen. Ein erheitertes, glockenhelles, von Grund auf böses Lachen. Ein Schmerzensschrei. Dann wurde die Verbindung unterbrochen.
Liza wimmerte, doch Matt schrie immer weiter auf das kleine Mikro ein.
»Grace? Gracy, bitte! Gott, lasst sie gehen, bitte! Tut ihr nichts! Sie hat doch damit nichts zu tun! Bitte tut ihr nichts!«
Liza legte die Hand auf seinen Oberarm und blickte ihm fest in die Augen.
»Sie bedeutet dir also wirklich etwas?« Matt sah sie nur an.
»Das war Gaiya. Liza, wir müssen etwas tun. ICH muss etwas tun.«
Entschlossen nickte sie. »Die Mikros«, flüsterte sie.
Matt sah sie einen Moment lang verständnislos an.
Weitere Kostenlose Bücher