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5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

Titel: 5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: e-book LYX
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und räusperte mich leise. »Was soll das bedeuten? Was hat das mit dir und mir zu tun?«
    »Alles, was geschieht, folgt einem Plan.« Er zeigte um uns herum, wo die Leute gemütlich mit einer Zeitung oder tief in ein Gespräch versunken saßen. »Alles, was wir und was andere tun, hat Ursachen und Konsequenzen. Der Typ mit dem grauen Anzug will sich einen neuen Job suchen, weil sein Chef ein Idiot ist. Und die Brünette am Tisch daneben will unbedingt dieses neue Kleid haben, um damit jemanden zu beeindrucken.«
    Was er sagte, war nachvollziehbar. Dennoch war ich überrascht, dass er so unbeteiligt hier hatte sitzen können und trotzdem alles, was um ihn herum geschah, wahrgenommen hatte.
    »Okay«, sagte ich nach einem Moment. Insgeheim war ich erleichtert, dass er es mir vom logischen Standpunkt aus zu erklären versuchte. Das machte es mir einfacher, mich voll und ganz auf meinen Verstand zu konzentrieren, statt mich mit meinen Gefühlen auseinanderzusetzen.
    Er nickte. »Gut. Und wenn wir jetzt davon ausgehen, dass jede Handlung Konsequenzen hat, dann hat alles, was wir tun und erleben, einen Grund. Eine Ursache. Wenn dir jemand einen Kaffee über die Bluse schüttet, dann weil einer von euch beiden unaufmerksam war. Vielleicht hatte er Streit mit seiner Frau und war mit den Gedanken bei ihr. Und du warst abgelenkt, weil du jemanden beobachtet hast.«
    Mein Herz begann zu rasen. »Willst du damit sagen … ?« Ich fuhr mir nervös mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Dass es kein Zufall war, dass ich angefahren wurde? Dass es einen Grund dafür gab?«
    Wieder nickte er. »All diese kleinen Gründe und Ursachen sind nur Teil des großen Ganzen. Teile eines großen Plans, in dem wir alle nur eine kleine Rolle spielen.«
    Auch wenn die Atheistin in mir sich dagegen sträubte, so begann ich seinen Worten Glauben zu schenken. Es machte auf eine verquere Art Sinn, auch wenn mir nicht gefiel, in welche Richtung sich dieses Gespräch entwickelte.
    »Manchmal geschehen Fehler, denn selbst der beste und ausgefeilteste Plan kann nicht ohne … sagen wir, ohne eine gewisse Fehlerquote funktionieren.«
    »Und wir sind diese Fehler?«, flüsterte ich.
    »Nein.« Noah legte seine Hand auf meine. Ich spürte gleichzeitig die Wärme, die von dieser Berührung ausging, und dieses seltsam kühlende Gefühl, das mich einhüllte.
    »Wir sind nicht die Fehler, Kara, sondern das, was uns passiert ist. Denn dadurch sind wir vor unserer Zeit gegangen.«
    Ich blinzelte. So etwas Ähnliches hatte ich schon einmal gehört. Irgendjemand hatte mir genau das bereits gesagt.
    Ein zarter Geruch von Äpfeln lag plötzlich in der Luft. Reife Äpfel, die in Sonnenlicht gebadet hatten und zwischen dichtem Blätterwerk hingen. Ich atmete tief durch und versuchte nach der Erinnerung zu greifen, doch sie entzog sich mir so schnell, als hätte ich nach Wasser gegriffen, das durch meine Finger rann.
    »Gibt es noch mehr von … von uns?«, hakte ich vorsichtig nach. Selbst ausgesprochen klang es absurd, aber ich musste mich auf irgendetwas konzentrieren, bevor ich endgültig den Verstand verlor.
    Noah nickte, doch sah er dabei nicht glücklich aus.
    »Was ist mit ihnen?«
    Zum ersten Mal wich er meinem Blick aus. Stattdessen sah er aus dem Fenster, wo Passanten in aller Eile vorbeiliefen. Selbst um diese Uhrzeit war viel auf den Straßen los, doch Noah nahm die vorbeieilenden Leute überhaupt nicht wahr.
    »Sie haben es nicht geschafft«, antwortete er nach einer Weile leise und sah mich wieder an. In seinen Augen war echte Trauer zu sehen.
    Plötzlich wurde mir bewusst, dass er diese anderen nicht nur vom Hörensagen kannte. Nein, er hatte sie wirklich gekannt, mit ihnen gesprochen und ihnen alles erklärt, so wie mir gerade. Vielleicht hatte er sich sogar mit ihnen angefreundet. Oder mehr.
    »Sie konnten ihr altes Leben nicht loslassen.«
    Ich setzte mich kerzengerade auf. »Was meinst du mit loslassen ?«
    Noah schaute mich mitfühlend an. »Wir müssen unser altes Leben loslassen, wenn wir zurückkommen. Nur so können wir weiterleben.«
    Ich starrte ihn an, während in meinem Kopf ein einziges Wort kreiste: Loslassen. Ich sollte mein altes Leben loslassen? Einfach so? Mia und Josh und … Grandma? Vergessen und weiterleben, als wäre nichts gewesen, als hätten mir diese Menschen nie etwas bedeutet? Ich schnappte nach Luft. Das konnte unmöglich sein Ernst sein!
    »A-aber du erinnerst dich doch«, stieß ich hervor und krallte mich an seiner

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