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5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

Titel: 5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: e-book LYX
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Hand fest. Das angenehme Gefühl war verschwunden. »Du weißt, dass du ein Zurückgesandter bist, also musst du dich auch an dein altes Leben erinnern können!«
    Noah zögerte erst, doch dann nickte er.
    »Dann kann ich das doch auch! Dann muss ich sie nicht vergessen, nicht loslassen«, protestierte ich.
    »Kara, du … « Er beugte sich vor, stützte den freien Arm auf die Tischplatte und sah mich an. Sein Gesichtsausdruck war ernst, so ernst, dass er die plötzliche Panik in mir noch weiter schürte. »Alle anderen mussten loslassen, um ihr neues Leben annehmen zu können.«
    Was sie anscheinend nicht gekonnt hatten. Kein Wunder, er verlangte hier ja nicht, dass man mal eben eine Telefonnummer vergaß, sondern sein gesamtes bisheriges Leben. Aber wenn die anderen nicht hatten loslassen können, dann …
    »Sie sind gestorben, oder?« Ich erkannte meine eigene Stimme kaum wieder und das lag nicht nur daran, dass sie mir noch immer fremd war. Meine Worte klangen erstickt und kraftlos, als hätte jemand anderes sie ausgesprochen. Jemand, der gerade im Begriff war, ein zweites Mal zu sterben.
    Noah griff nach meiner anderen Hand. »Das muss dir nicht passieren. Wir haben diese zweite Chance nicht erhalten, um sie wieder zu verlieren«, redete er hastig auf mich ein. »Du merkst es vielleicht noch nicht, aber es hat bereits begonnen. Wir vergessen Stück für Stück unser altes Leben und erinnern uns an das neue.«
    Ich bekam keine Luft mehr. Meine Gedanken kreisten um das Haus, in dem ich heute Morgen aufgewacht war. Ich hatte mich dort ausgekannt, ohne zu wissen, woher. Dafür fielen mir kleine Details aus meinem bisherigen Leben nicht mehr ein. Wen hatte ich zum ersten Mal geküsst? Und warum war mir der Duft von Äpfeln so vertraut, so wichtig für mich?
    »Nein«, flüsterte ich entsetzt und entzog ihm meine Hände. »Nein«, sagte ich erneut und sprang auf.
    »Kara!« Er rief mir nach, doch ich war bereits aus dem Café herausgerannt. Das konnte nicht wahr sein! Das durfte einfach nicht wahr sein! Wie sollte ich denn mein bisheriges Leben vergessen? Wie konnte ich all die Menschen, die mir wichtig waren, einfach hinter mir lassen?
    »Kara.«
    Jemand packte mich am Arm, drehte mich herum, und als ich aufsah, stand Noah wieder vor mir. Zum ersten Mal wirkte er nicht mehr so ruhig und mitfühlend. Jetzt sah ich echte Sorge in seinem Blick. Angst.
    »Ich kann das nicht«, stieß ich hervor und schüttelte heftig den Kopf. In diesem Augenblick verfluchte ich die Tatsache, dass der Nebel, der meine Gefühle bisher so warm und sicher eingehüllt hatte, sich nun zu lichten begann.
    »Ich kann nicht einfach vergessen.« Ich riss mich von ihm los und lief davon, ohne mich noch einmal umzudrehen.

6
    Die Sonne sendete ihre letzten wärmenden Strahlen auf das Haus, in dem Mia wohnte. Ich saß auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf einer Bank und versuchte, das Haus meiner Schwester nicht zu offensichtlich zu beobachten.
    Sie war erst vor einer knappen Stunde nach Hause gekommen, müde von der Arbeit und sicherlich auch von den tragischen Ereignissen der letzten Zeit geprägt. Am liebsten wäre ich zu ihr gegangen, hätte die Straße überquert und an Mias Tür geklingelt. Ich wollte ihr sagen, dass ich noch lebte, dass es mich noch gab und dass ich sie unglaublich vermisste. Doch ich tat es nicht.
    Nachdem sie aus dem Auto ausgestiegen war, strich sie sich kurz über ihren gewölbten Bauch. Eine Geste, die einerseits Überraschung und helle Freude, gleichzeitig aber auch einen schmerzhaften Stich in meinem Inneren ausgelöst hatte. Als ich sie das letzte Mal gesehen hatte, wusste ich noch nichts von ihrer Schwangerschaft. Sie war rank und schlank gewesen wie immer, und doch trug sie jetzt ein Kind in sich und wirkte recht glücklich.
    Und während ich mich an ihre Freude und an ihr Glück zu klammern versuchte, wurde mir einmal mehr bewusst, dass ich nicht nur für einen Tag fort gewesen war. Es mussten mindestens ein paar Monate vergangen sein, bevor man mich zurückgeschickt hatte.
    Ein Schatten tauchte neben der Bank auf. Gleich darauf setzte sich jemand zu mir. Ich musste nicht erst hinschauen, um zu wissen, dass er es war.
    »Woher wusstest du, dass ich hier bin?« Meine Stimme klang ruhig. Nichts war mehr von der Panik zu hören, in der ich ihn vor Stunden vor dem Café zurückgelassen hatte.
    Noah seufzte. »Wo solltest du sonst sein?«
    Ich löste meinen Blick von Mias Haus und sah zu ihm auf. Er wirkte

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