5 Tage im Sommer
Sie schüttelte den Kopf. »Er machte sich doch so gut.«
Amy beschrieb den Fund, den sie im Haus gemacht hatten. »Hört sich das nach Rehabilitation an?«
Sally klang nachdenklich. »Ich weiß, es klingt fürchterlich, aber es ist nicht so weit von unserem Behandlungsziel entfernt, wie man denken sollte. Wir wissen, dass wir diese Leute im Kern nicht verändern können, und darum arbeiten wir nur daran, ihr Verhalten zu ändern. Hat Bobby ein Verbrechen begangen?« Ihr Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an.
»Wenn er Geschäfte im Internet macht, ja«, sagte Amy. »Wir haben seinen Computer beschlagnahmt, aber es geht eigentlich um etwas anderes. Eine Frau wird vermisst, und das steht in einem größeren Zusammenhang, der bereits Jahre zurückreicht.«
Sallys Miene erhellte sich. »Eine Frau? Er hat schreckliche Angst vor Frauen. Um nichts in der Welt würde er eine berühren. Das ist ein Teil dessen, woran wir in unseren Sitzungen arbeiten.«
»Aber vielleicht erzählt er Ihnen auch nicht alles, oder?«, fragte Geary. Er sah Sally kritisch an, als wolle er sehen, was unter Make-up und Frisur lag.
»Ich kann es natürlich nicht mit Sicherheit behaupten«, sagte Sally. »Aber seit drei Jahren sehe ich ihn zweimal wöchentlich. Ich bezweifle, dass er in der Lage wäre, eine erwachsene Person zu überwältigen.«
»Höchstens ein Kind?«, sagte Amy in scharfem Ton.
Sally Harmon verzog den Mund.
»Gehen Sie immer mit Bobby einkaufen?«, fragte Geary.
Sally nickte. »Manchmal. Das ist ein Teil der Therapie.«
»Man hat gesehen, dass Sie sich im Laden mit ihm gestritten haben«, sagte Amy.
Sally dachte nach. »Ist das die Frau? Aschblondes Haar, sehr hübsches Lächeln?«
»Sie erinnern sich an sie«, sagte Geary. »Haben Sie ihn mit ihr zusammen gesehen?«
»Sie haben nacheinander Maiskolben aus dem Behälter herausgesucht. Dabei ist ihr Armband dort hineingefallen, und ich hab es ihr hinterhergebracht.« Sally schüttelte das Handgelenk, um die Glücksanhänger klimpern zu lassen. »Ihres war aus Silber.«
»Bobby stand hinter ihr an der Kasse. Worüber haben Sie sich gestritten, Ms. Harmon?« Amy bemerkte, dass Sally Harmons Haar sich im Wind kaum rührte.
»Ich hab ihm gesagt, dass er zu viel Mais gekauft hätte, nur weil der im Angebot war. Wir haben an seiner Flexibilität gearbeitet.«
»So heißt das also?«, fragte Amy.
»Ziemlich langweilig, hm?«
»Nein«, wandte Geary ein, »das würde ich nicht sagen.«
Eine Welle schlug in diesem Moment so heftig an den Strand, dass Sally abgelenkt wurde. Gleich darauf sah sie Geary wieder an und kniff die Augen zusammen. »Er ist ein kranker Mann, zugegeben, aber er wäre nicht imstande, eine erwachsene Frau gegen ihren Willen in seine Gewalt zu bringen. Außerdem war ich an jenem Tag bei ihm. Wir sind zusammen zurück in die Klinik gefahren, wo er mich abgesetzt hat.«
»Ist er geblieben, oder ist er sofort wieder weggefahren?«, fragte Amy.
»Er ist weggefahren.«
»Wie weit ist Ihr Büro vom Supermarkt entfernt, Ms. Harmon?«
Sally Harmon sah Amy einen Moment lang an, bevor sie antwortete. »Drei oder vier Minuten.«
»Das war genug Zeit für Emily, um die Einkäufe in ihrem Kofferraum zu verstauen, John, meinen Sie nicht auch?«
KAPITEL 17
B obby Robertson passte ins Profil, aber Geary wusste auch, dass es nur selten so einfach war.
»Wir haben keine Beweise«, sagte er zu Amy, als sie zur Wache zurückfuhren.
»Wir haben die Bilder, wir haben die Kassetten. Und wenn wir seine Festplatte überprüfen, finden wir wahrscheinlich noch mehr.«
»Indizien. Das reicht nicht.«
»Wir kriegen ihn. Wenn wir seinen Wagen zur Spurensicherung bekommen, haben wir ihn am Wickel. Aber vorher wird er uns zu Emily Parker führen, und dann werden es nur noch Pflichtübungen sein. Dann brauchen wir nur noch die i-Pünktchen zu setzen …«
»Und die t-Striche, ja ja ja.«
Sie warf ihm einen ihrer tödlichen Blicke zu, und er mäßigte seinen Ton.
»Wenn er uns zu Emily führt und wir sie lebend vorfinden, dann ist es leicht. Aber was, wenn er es nicht tut?«
Sie fuhr auf einen Parkplatz am Hintereingang. »Er wird es tun.«
»Vielleicht. Aber etwas kommt mir trotzdem komisch vor.« Geary löste seinen Gurt und stieg aus dem Wagen. Amy schlug ihre Tür zu und schaute ihn über die Kühlerhaube hinweg an.
»Was?«
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Irgendwas.«
Einer der Kommentare klang ihm im Ohr, die Bell beim Lunch vorgebracht hatte.
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