5 Tage im Sommer
zu erheischen, aber der sah zur Seite.
»Es tut mir Leid, aber auch dazu kann ich im Augenblick nichts sagen.«
»Wie stehen die Chancen, dass Mrs. Parker noch lebt?« Der Reporter von CNN beugte sich vor.
»Wir werden morgen eine weitere Pressekonferenz abhalten«, sagte Kaminer, »aber im Moment gibt es keinen Grund zu glauben, dass sie nicht lebt. Wir hoffen, sie lebend zu finden.« Er blickte aus schmalen Augen in die Kamera und schien Mister White direkt anzusprechen. »Wir werden jeden einzelnen Quadratzentimeter des Cape absuchen. Es wird kein Ort übrig bleiben, an dem Sie sich verstecken können.«
Es folgten einige Augenblicke betretenen Schweigens, die endeten, als Sorensens Assistentin Janet Fotos von Emily Parker zu verteilen begann. Emily war eine attraktive Frau, und auf dem Foto lächelte sie entspannt. Warum lächelten sie nur immer?
»Noch eine Frage, Chief.«
»Das war’s fürs Erste. Danke.« Die Mitglieder des Teams drehten sich um und gingen in die Wache zurück. Die Reporter verfolgten sie bis zur Tür.
Amy hoffte, dass der Streifenwagen, den Kaminer an den Beginn des Gooseberry Way beordert hatte, diese Geier von der Familie fernhalten würde. Jetzt von der Presse gehetzt zu werden hatte ihr gerade noch gefehlt.
Sie ließ ihren Text über den Bildschirm des Computers laufen und begann mit der Zusammenfassung des nächsten Punkts, dem soeben erhaltenen Bericht der Spurensicherung über den Teppich aus der Goodman-Parker-Garage: nichts als typischer Haushaltsschmutz sowie Sand, Erde und Pizzasauce. Ein Pluspunkt für den alten Mann. Geary besaß einen ausgezeichneten Instinkt, das musste sie ihm lassen. Wie hatte er sich so sicher sein können, dass sie mit dem Teppich ihrer aller Zeit vergeudete? Der Vollständigkeit halber tippte sie einen kurzen Absatz und ließ es dabei bewenden.
Sie strich mit dem Finger über die Naht des leeren Papierbechers, schloss die Augen und beschwor die weiche Behaglichkeit ihres leeren Betts herauf, die zerknüllten Laken, die Nachgiebigkeit ihres Kissens, wenn sie den Kopf drehte. Als sie dabei war, dem Verlangen nach Schlaf nachzugeben, stand ihr plötzlich Emily Parker vor Augen. Gefesselt und geknebelt, in einer Kapsel voll Schrecken. In Erwartung des Todes, der dann doch nicht eintrat. Stattdessen etwas viel Schlimmeres: der ihres Kindes.
Eine Mutter, die Zeugin der brutalen Ermordung ihres Kindes wird und die am Leben gelassen wird, um es wieder und wieder zu durchleben.
Amys Magen revoltierte.
Das war es also.
Sie öffnete die Augen und blickte in das kalte Neonlicht. Ihre Finger krallten sich um den Pappbecher, zerknüllten ihn und warfen ihn quer durch den Raum in den Papierkorb.
»Treffer!« Es war Gearys Stimme.
Amy wirbelte aufgeschreckt herum. Das Adrenalin wirkte stärker als der Kaffee. Geary stand in der Tür und grinste.
»Jetzt hätte ich mich wohl erschrecken sollen«, sagte sie.
»Haben Sie sich doch auch, oder?«
»Da müssen schon ganz andere kommen als Sie, um mir Angst zu machen.«
Sie presste die Fingerspitzen an die Schläfen und kniff die Augen fest zu. »Das Koffein macht mir zu schaffen.«
»Warum fahren Sie nicht für ein paar Stunden nach Hause und gönnen sich eine Mütze Schlaf?« Geary unterstrich den Vorschlag mit einem Kopfnicken. »Niemand kann so lange ohne Schlaf auskommen.«
»Und was ist mit Ihnen?« Sie betrachtete Geary, der stets gleich zerknautscht aussah. »Sie sind doch auch die ganze Nacht wach gewesen.«
»Ich schlafe, wenn ich tot bin.«
»Ein guter Spruch. Was dagegen, wenn ich ihn mir mal ausborge?«
»Wenn Sie wollen.«
Sie schlug schwungvoll auf die Enter-Taste, und der Drucker spuckte ihren aktualisierten Bericht aus.
»Ich hätte da was, um Ihre Lebensgeister zu wecken.« Gearys wässrige Augen funkelten wieder. »Snow ist zurück.«
»Endlich.«
»Gut gelaunt und in alter Frische nach ausgiebiger Nachtruhe.«
»Wie bitte?«
»Schätze, als er von Fall River zurückkam, war für ihn schon Bettzeit.«
»Und dann ist er nach Hause gefahren? «
Sie eilten den Korridor hinunter zum Konferenzraum. Geary stieß die Tür auf, und Amy betrat als Erste den Raum, in dem geschäftiges Treiben herrschte. Alle Laptops waren eingeschaltet, auf den Gesichtern lag Erschöpfung. Einige der Special Agents waren draußen im Einsatz und hatten ihre Computer geisterhaft blinkend zurückgelassen. Das halbe Cape war inzwischen mit dem Fall befasst und die ganze Ostküste alarmiert. Immer mehr
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