5 Tage im Sommer
seinen Vater noch nicht einmal auf das erbärmliche T-Shirt ansprechen.
Doch sein Wunsch ging nicht in Erfüllung. Kein Cello erklang. Stattdessen sollte er weggebracht werden. Was passierte dann mit Mom?
»Nein. Ich fahre nicht mit.«
»David, ich brauche deine Mithilfe. Wir müssen ins Krankenhaus fahren, um Maxi abzuholen.«
»Ich will aber nicht dahin.«
»Es muss sein. Es dauert ja nur ein paar Minuten.«
»Bitte, Dad. Ich bleibe hier bei Grandma.«
Sein Vater sah ihn einen Augenblick lang an, als müsse er nachdenken. »Du kommst mit mir.«
Sam kam in die Küche. »Was ist los?«
»Ich bleibe hier«, sagte David.
»Sam«, sagte Dad, »zieh dich an. Du und David, ihr kommt mit mir mit, um Maxi abzuholen.«
»Aber wir wollen nicht ins Krankenhaus.« Sam warf David einen Blick zu. »Hol doch Maxi ab und bring sie her. Wir warten hier mit Grandma.«
»Grandma schläft noch. Und jetzt zieht euch an.«
»Ich bin wach.« Sarah kam im Bademantel in die Küche, noch ziemlich verschlafen, aber doch lächelnd. »Lass sie doch hier bei mir bleiben, Will. Du bist doch höchstens eine Stunde unterwegs. Wenn du zurück bist, sind wir so weit, dass wir fahren können.«
Dad sah Grandma an und überlegte. David kannte diesen Blick, wenn Dad etwas nicht einsah, aber doch aus irgendeinem Grund meinte, er solle nicht widersprechen. Er war bei seiner Arbeit der Boss und gewohnt, den Leuten aufzutragen, was sie zu tun hatten, aber gleichzeitig wusste er auch, dass er nicht zu sehr herumkommandieren durfte, weil sonst die Gefahr bestand, dass er nur das Gegenteil erreichte. Manchmal sagte Mom ihnen, dass Dad eine Menge Stress hatte. Aber was war mit dem Stress, den es bedeutete, ein Kind zu sein? Was war mit dem Stress, unter dem sie im Augenblick standen? Ihre Mutter war fort. Ihre Mutter .
»Ich bleibe hier bei Grandma«, sagte David abermals. Er wollte ohne seine Mutter nicht nach New York zurückfahren. Wenn niemand sonst sie fand, vielleicht konnte er es ja.
»Ich auch.« Sam trat David zur Seite.
Nach einer Weile holte Dad tief Luft. »Also gut. Aber niemand verlässt das Haus.«
»Wohin sollten wir schon gehen?« Grandma nahm ihren Wasserkessel zur Hand und trat an die Spüle.
Dad betastete seine Tasche, um sicherzugehen, dass er Geldbörse und Schlüssel hatte. Dann ging er zu David und Sam und gab ihnen beiden einen Kuss auf die Stirn.
»Ich bin bald wieder zurück.«
»Bis später dann, Dad«, sagte David.
Er sah, wie sein Vater in die Garage ging, und gleich danach hörte er, wie der Mietwagen angelassen wurde und davonfuhr.
Sobald ihr Vater fort war, ging David in ihr Zimmer, um sich anzuziehen. Sam folgte ihm. Danach schlichen sich beide ins Zimmer ihrer Eltern. Auf der Kommode lagen Geldscheine und Münzen. David griff nach dem Geld und stopfte sich etwas davon in die Tasche.
»Was machst du da?«, wollte Sam von ihm wissen.
»Sag ich dir später.«
»Du stiehlst Dads Geld.«
»Hast du nicht gehört? Ich sag’s dir später. Und ich stehle es nicht, sondern ich leih es nur.«
»Grandma!«, rief Sammy lauthals.
David hielt Sam den Mund zu. »Mach das nicht, oder ich nehm dich nicht mit!«
»Wohin?«
»Sei still, oder ich sag es dir nicht.«
Sam sah verwirrt aus.
»Psst, okay?« David presste einen Finger auf die Lippen.
»Na gut, okay.«
David dirigierte Sammy zur Vordertür, die bereits offen stand. Grandma stand in ihrem Morgenmantel draußen und unterhielt sich mit einem Mann. Es war der Doktor von gestern, dem sie vor der Polizeiwache begegnet waren. Dr. Bell. David öffnete die Fliegentür, und Sam folgte ihm nach draußen. Cool – der Doktor hatte einen roten Sportwagen.
Als er David und Sam bemerkte, sagte der Doktor: »Hallo, Jungs«, und zwinkerte ihnen mit seinem einen Auge zu.
»Hi, Dr. Bell«, sagte David.
»Ich habe Ihre Enkel gestern kennen gelernt«, sagte er zu Sarah. »Zusammen mit ihrem Vater, auf der Polizeiwache.«
David und Sam strichen um das Auto herum, während die Erwachsenen sich unterhielten. Irgendwas über einen Namen, den der Doktor für Dad überprüft hatte. Sie hörten Grandma sagen: »Sie hätten doch auch anrufen können«, aber der Doktor erwiderte: »So hatte ich zumindest einen Vorwand, mich in den Wagen zu setzen.«
»Das ist in der Tat ein großartiger Wagen, den Sie da haben«, sagte Sarah. »Mein verstorbener Mann liebte alte Autos, und ich hab so manchen Sonntagnachmittag damit verbracht, mich mit ihm auf Oldtimer-Shows umzusehen.
Weitere Kostenlose Bücher