5 Tage im Sommer
Verstecke schieden aus, aber es ging dennoch nicht schnell genug. Obwohl sie alle verfügbaren Mittel aufgeboten hatten, hatten sie noch immer nicht herausgefunden, wo sie suchen sollten.
Snow, der bei Sorensen und Janet saß, sah geschniegelt und ausgeruht aus. Als Amy näher kam, roch sie sein süßliches Rasierwasser, aber auch den Umkleideraumgeruch von Schweiß und schlechtem Atem.
»Al!« Sie tätschelte seine Schulter und zwang sich ein Lächeln ab. Sorensen sah ihr zu, amüsiert, aber auch grimmig. »Schönen Urlaub gehabt?«
»Was für einen Urlaub? Was soll das?« Snow fuhr mit der Hand an seiner Bügelfalte entlang. »Ich bin kurz zu Hause vorbeigefahren, um zu duschen und mich zu rasieren. Ich hatte keine Ahnung, was hier los war.«
»Nicht mal den Fernseher angemacht? Auch nicht Radio gehört? Die Ermittlungen sind Hauptthema in allen Nachrichten«, sagte Amy.
»Habe ich tatsächlich nicht.« Snow hob die Schultern in einer verlegenen Geste. »Aber ich wünschte, ich hätte es getan. Dann wäre ich natürlich sofort hergekommen.«
»Um ein paar Überstunden zu machen?«
»Okay, Amy, ich verstehe.« Er schüttelte den Kopf und warf einen Blick auf seine Knie. Dann sah er sie so duldsam an, als sei ihr Ärger mit Nachsicht zu entschärfen. Sie stellte sich vor, dass Snows Ehefrau sich in so einem Augenblick entschieden haben musste, ihn zu verlassen. »Wollen Sie nun meinen Bericht hören oder nicht?«
Amy zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Dann beugte sie sich so jäh nach vorne, dass Snow instinktiv zurückwich. »Sie haben Glück, dass der Chief nicht hier ist. Ich würde ihn sonst über alles unterrichten.«
»Nur zu, Amy.« Snow lächelte. Ihr wurde klar, dass er, wenn sie Kaminer je von seinem Übergriff berichten würde, denselben nichts sagenden Gesichtsausdruck aufsetzen und es einfach leugnen würde.
Sie hätte am liebsten laut geschrien.
»Sie hätten zuerst Ihren Bericht abgeben sollen«, schnauzte sie, »und danach nach Hause zu Ihrem Teddybär fahren. Egal, was Sie herausgefunden haben, wir hätten es gestern gebraucht, wir arbeiten gegen die Uhr, uns bleibt keine Zeit.«
Der leichte Druck von Gearys Hand auf ihrer Schulter beruhigte sie.
Sorensen beobachtete sie, und sie fragte sich, was er wohl dachte. Gleichzeitig versuchte sie, sich deswegen keine Gedanken zu machen. Sie schob das Haar hinter die Ohren, lehnte sich zurück und kreuzte die Arme über der Brust. »Wir hören.«
Snow fuhr sich mit der Zunge über die oberen Zähne, bevor er anfing. »Sal Ragnatelli hatte seit zehn Jahren einen Stand auf diesem Automarkt. Die Leute, die ihn kannten, mochten ihn. Er war umgänglich und immer zu Scherzen aufgelegt. Aber in diesem Jahr« – Snow sah kurz zu Sorensen, um dann wieder seinen Blick auf Amy ruhen zu lassen – »geschah irgendetwas. Er war wegen irgendetwas aus der Fassung gebracht, so sehr aus der Fassung, dass er Dienstag mitten am Tage seinen Stand schloss. Seine Kumpel meinten, so was hätte er noch nie getan, denn diese Stände sind ganz schön teuer, und mittags ist der Publikumsverkehr am größten.«
»Er hat also am Nachmittag seinen Stand geschlossen«, sagte Amy.
Snow nickte. »Und ein paar Stunden später kam er zurück, ziemlich erregt. Öffnete seinen Stand wieder und blieb bis zum Schluss. Alles, was er zu dem Typen am Nachbarstand gesagt hat, war, dass jemand ihm auf den Geist ging.«
Amy beugte sich vor. »Hat er diesen Jemand beschrieben?«
»Eigentlich nicht. Ein Kunde, der eine Oldtimer-Corvette in bestem Zustand kaufen wollte, der aber, als es um den Kaufpreis ging« – Snow zuckte die Achseln –, »nicht in aller Freundlichkeit verhandeln wollte, sondern auf einem absurd niedrigen Preis beharrte.«
Sorensen hörte aufmerksam zu, während Janet auf ihrem Laptop schrieb. Einige der Agents aus der Spezialeinheit hatten ihre Arbeit unterbrochen und hörten zu. Manche standen auf und versammelten sich um Snow.
»Ragnatelli soll gesagt haben« – Snow zog ein winziges Notizbuch aus seiner Hemdtasche –, »›wenn er ein Auto stehlen will, warum macht er es dann nicht wie jeder andere Dieb und nimmt es sich einfach, wenn niemand hinsieht? Dieser Idiot versucht tatsächlich, mich dazu zu bekommen, dass ich ihm den Wagen schenke . ‹ Das war es, wörtlich.«
»Und dann?«, fragte Amy.
Snow zuckte die Achseln. »Ragnatelli kümmerte sich um seinen Stand, schloss pünktlich und fuhr zu seinem Motel zurück. Die junge Frau an der
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