50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
freundlichen, glatten Gesichtern ist am allerwenigsten zu trauen. Du schenkst ihm zu viel Vertrauen und Freiheit; du läßt ihn Dinge wissen, von denen er eigentlich keine Ahnung haben sollte.“
„Ah! Ich werde ihn prüfen, ich werde ihn auf die Probe stellen, und wehe ihm, wenn er die Probe nicht besteht. Er darf nichts von dem ahnen, was wir erfahren haben. Hast du heute auf deinem Wachtposten vielleicht noch etwas Wichtiges erfahren?“
„Erfahren nicht, aber getan habe ich etwas, was wohl viel wichtiger ist als alles, was wir bisher erfahren haben.“
„Was?“
„Das kann ich dir auch später sagen. Jetzt möchten wir gehen. Mein Bote könnte zurückkehren und nicht warten wollen, wenn er mich nicht unter dem Mauerbogen findet.“
Sie gingen. Vorher aber überzeugte sich der Pascha, daß Said sich zur Ruhe begeben hatte, und befahl den beiden Wächtern die verschärfteste Vorsicht an.
Als sie den Bogen der Wasserleitung erreichten, befand sich der Bote, nämlich der Lord, natürlich noch nicht da. Er hatte ja gar nicht die Absicht, wiederzukommen.
„Vielleicht hat er die beiden sehr weit begleiten müssen“, meinte der Derwisch, „da kann er freilich noch nicht hier sein.“
„So warten wir. Ich muß unbedingt wissen, wo diese Menschen wohnen. Unterdessen kannst du mir sagen, was du so sehr Wichtiges getan hast. Bezieht es sich auf unsere hiesigen Absichten?“
„Natürlich. Ich dachte daran, daß du bereits zweimal bei dem Bei gewesen bist –“
„Leider umsonst!“
„Und daß er wohl auch seine Gesinnung nicht ändern wird. Es gibt hier einen uns feindlichen Einfluß, der uns um so schädlicher ist, als wir ihn nicht kennen. Wir haben auch keine Zeit, lange Nachforschungen anzustellen, da es mit unseren Erfolgen so große Eile hat.“
„Der Thronfolger ist unserer Angelegenheit günstiger gesinnt als der Bei.“
„Hast du mit ihm gesprochen?“
„Ja, heute am Tag.“
„Ahnt er, wer und was du bist?“
„Vielleicht. Ich mußte ihn doch erraten lassen, daß ich nicht ein gewöhnlicher Handelsmann bin. Er hat mich mit großer Freundlichkeit behandelt und baldigst wieder bestellt. Er scheint den Bei nicht zu lieben. Stände er am Ruder, so kostete es mich ein Wort, und meine Sendung würde glücken.“
„So stelle ihn doch an das Ruder!“
„Ich?“ fragte der Pascha erstaunt.
„Ja, du!“
„Wie soll ich das tun?“
„Indem du dem jetzigen Herrscher das Ruder nimmst.“
„Bist du toll? Das könnte nur mit Hilfe einer Palastrevolution geschehen, und dazu besitze ich weder die Zeit noch den nötigen Einfluß.“
„Palastrevolution! O Allah!“
Diese Worte waren in einem sehr verächtlichen Ton gesprochen. Darum fragte der Pascha fast zornig:
„Welchen Ton erlaubst du dir! Weißt du vielleicht ein besseres Mittel?“
„Ja, ein Mittel, das augenblicklich wirkt.“
„So sage es!“
„Den – Tod!“
„Teufel! Der Herrscher hat keine Lust, zu sterben.“
„Stirbt der Mensch etwa nur dann, wenn er Lust dazu hat?“
„Nein; aber er ist kräftig und gesund!“
„Stirbt man nur an einer Krankheit?“
„Meinst du vielleicht – Mord?“
„Fürchtest du dich vor diesem Wort?“
„Nein; das habe ich genügsam bewiesen!“
„Ja, du stammst aus einer guten, harten Wurzel! Dein Vater war ja in Kurdistan geboren, wo ein Eimer Menschenblutes keinen Piaster wert ist. Doch jetzt bist du nicht mehr in den tatkräftigen Jahren der Jugend. Jetzt ist dir der Geruch des Blutes zuwider.“
„Oho! Wenn ich erreichen kann, was ich erreichen will, so ist mir jedes Mittel recht.“
„Nun, was zauderst du da?“
„Ich müßte wissen, daß es durch kein anderes Mittel zu erreichen ist. Und sodann darf ich nichts tun, was gegen den Willen dessen ist, der mich gesandt hat.“
„Willst du da erst lange fragen? Wer kann dir die Tat nachweisen?“
„Wie soll sie geschehen?“
„Es gibt verschiedene Arten zu sterben.“
Der Pascha schwieg. Die Stimme des Versuchers hatte den richtigen Punkt getroffen. Er überlegte. Erst nach einer längeren Pause sagte er:
„Du bist ein Teufel, aber auch so klug und listig wie der Gebieter der Hölle.“
„Es bedarf keiner außerordentlichen List, um zu wissen, daß man die Erbschaft eines Menschen desto früher macht, je eher er stirbt.“
„Aber das ist ein Mord.“
„Wo denkst du hin! Es gibt keinen Mörder!“
„Wieso?“
„Die Schicksale und das Ende des Menschen sind im Buch des Lebens verzeichnet seit Anbeginn.
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