50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
sterben. Erst der Bei und dann er.“
„Gut, mir ist das recht! Aber wie steht es nun mit unserer Sicherheit?“
„Wie soll es da stehen! Tun kann mir kein Mensch etwas. Mein Paß lautet auf Hulam aus Smyrna. Ich fliehe nun erst recht nicht, es müßte denn dein Anschlag gegen den Bei mißlingen. Der Nachfolger will mir wohl, er billigt unsere Pläne, und mit seiner Hilfe werde ich über diese Menschen triumphieren. Aber zur etwaigen Flucht muß ich dennoch alles vorbereiten. Bestellen wir uns also die Tiere, die wir zum Ritt bedürfen.“
„Wirst du den Ritt auch unternehmen, wenn der Anschlag gelingt?“
„Das weiß ich nicht.“
„Es wird besser sein. Die Vorbereitungen sind dann einmal getroffen. Es würde auffallen, wenn du es nicht tätest. Du reitest nach dem Meer spazieren und kehrst des Abends zurück.“
Sie trafen nunmehr ihre Vorbereitungen, ohne sich um das Ereignis zu bekümmern, das einen großen Teil von Tunis auf die Beine brachte: Der Bei hielt nämlich Gericht über den Juden Jakub Asir und seine Verbündeten. Auch die Mädchen mußten mit herbei.
Die Einleitung bestand darin, daß ihnen allen zunächst die nackten Füße zwischen zwei Bretter geschraubt wurden und sie auf die Sohlen die Bastonade erhielten – die Männer im offenen Hof, jeder zwanzig Hiebe, und die Mädchen in einem abgeschlossenen Raum je zehn Streiche. Das stärkte ihre Bereitschaft zum Geständnis.
Wunderbarerweise gelang es dem Beherrscher, die Vernehmung so zu leiten, daß der Engländer nicht im mindesten blamiert wurde. Es dauerte nur kurze Zeit, so war eine vollständige Beichte abgelegt.
Das Urteil lautete eigentümlich: Konfiskation des sämtlichen Eigentums, dies verstand sich ja im Land Tunis, und da es einen Juden betraf, ganz von selbst. Sodann wurden den Männern Kopfhaar und Bärte glatt abrasiert, eine ganz entsetzliche Schande. Und zuletzt befahl der Beherrscher, daß alle, Männer sowohl wie Frauen und Mädchen, nach der algerischen Grenze hinübergeschafft wurden.
„Denn“, erklärte er, „töten will ich diese Hunde und Hündinnen nicht, da ihnen Allah ja einmal das Leben gegeben hat. Gefangensetzen mag ich sie auch nicht, denn sonst müßte ich sie ernähren, und ich habe bessere und bravere Untertanen, die der Nahrung und Kleidung mehr wert sind als diese Verbrecher. Darum jage ich sie aus dem Land hinaus. So bin ich sie los. Kommen sie aber zurück, so lasse ich sie peitschen, bis sie tot sind. So lautet mein Spruch und Urteil. Allah sei gelobt, jetzt und in alle Ewigkeit.“
Normann und Wallert hatten dieser interessanten Gerichtsverhandlung mit beigewohnt. Als sie vorüber war, war auch der Vormittag zu Ende gegangen. Sie begaben sich nun nach dem italienischen Haus, um da zu speisen, und dann sollten sie zu Steinbach nach dem Bardo kommen und den Engländer mitbringen, der sie im Gasthaus erwartete, da er nicht Lust verspürte, Zeuge der Gerichtssitzung zu sein. Im Bardo wollten sie bei der Festnahme des Derwisches zugegen sein.
Als der Engländer hörte, welches Urteil über seine Feinde gefällt worden war, schmunzelte er vergnügt vor sich hin:
„Wenn das alle Monarchen so machten, so gäbe das eine ganz famose Herüber- und Hinüberschieberei der Verbrecher. Na, mögen drüben die Herren Franzosen sehen, was sie mit diesem Juden anfangen! Ich entführe ihm sicher keine Odaliske wieder!“
Das Nachmittagsgebet der Mohammedaner fällt ganz genau auf die dritte Stunde. Bereits um zwei Uhr erschien der Pascha bei Tschita und Zykyma, um ihnen zu befehlen, sich bereit zum Spazierritt zu halten.
„Reitet meine Mutter mit?“ fragte die erstere.
„Wie sollte sie?“ antwortete er. „Sie kann ja nicht aufstehen. Wie könnte sie auf dem Kamel sitzen!“
„So bleibe ich auch da.“
„Du wirst mitreiten. Ich befehle es dir!“
„Ohne meine Mutter nicht!“
„Dieser Spazierritt ist eine Gnade, die ich euch erweise. Seht ihr das nicht ein, so seid ihr keiner weiteren Gnade wert, und ich werde euch strenger halten. Ich wollte deiner Mutter erlauben, heute abend wieder zu euch zurückzukehren. Nun aber mag sie unten bleiben. Wer meine Güte zurückweist, dem biete ich sie nicht wieder an.“
Das traf Tschita ins tiefste Herz. Sie besann sich nicht lange, sondern entschied:
„So reite ich mit. Aber wenn heute abend die Mutter nicht bei uns ist, so sollst du erfahren, daß auch wir Frauen einen Willen und die Kraft dazu haben, ihn zur Geltung zu bringen.“
„Ah! Du willst
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