50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
Derwisch war der festen Überzeugung, daß ihm nichts bewiesen, also auch nichts getan werden könne. Das gab ihm den Mut zurück, und darum sprach er die Frage in beinahe höhnischem Tone aus.
„Nein, das habe ich dir nicht zu sagen“, antwortete Steinbach. „Aber verbieten kann ich dir, was du nicht tun sollst.“
„Du hast mir weder etwas zu befehlen, noch zu verbieten! Laß mich gehen!“
Der Derwisch wandte sich, um weiterzuschreiten; aber Steinbach ergriff ihn am Arm und sagte:
„Warte noch eine Weile! Ich möchte sehr gern wissen, was du hier in der Hand hast. Ah, ein Fell. Und hier? Ein Messer! Mit Harz und Bernsteinsand belegt? Mensch, wen willst du denn elektrisieren?“
Der Derwisch erschrak.
„Elektrisieren?“ fragte er. „Was ist das?“
„Das weißt du nicht? So muß ich es dir erklären. Man reibt nämlich das Messer mit dem Fell und hält dann ersteres hier an diesen Draht. Das nennt man elektrisieren.“
„Das verstehe ich nicht. Was geht mich der Draht an!“
„Dann fährt der elektrische Funke im Draht weiter bis in den Kiosk des Gebetes, wo die Patrone liegt, und zerschmettert den Herrscher von Tunis.“
„Ich weiß aber gar nicht, was du redest, und was ihr überhaupt wollt!“
„Ja, du bist sehr unwissend. Aber lernbegierig bist du auch, und das söhnt uns mit deiner Dummheit aus. Du hast so gern wissen wollen, wo diese beiden Effendis wohnen. Jetzt kannst du es erfahren.“
„Ich habe nichts wissen wollen. Ich kenne die beiden gar nicht; ich mag sie auch nicht kennen!“
„Und doch hast du ihnen heute nacht einen Boten nachgesandt. Nicht?“
„Nein. Ich weiß nichts davon.“
„Lüge nicht! Wir wissen es genau.“
„Ich rede die Wahrheit.“
„Nun, so müssen wir dir diesen Boten vorstellen.“
„Ja, bringt ihn mir nur. Ich werde euch beweisen, daß er die Unwahrheit sagt!“
„Na, da steht er.“
Steinbach deutete dabei auf den Lord. Der Derwisch machte jetzt ein Gesicht, dessen Ausdruck gar nicht zu beschreiben war.
„Der?“ fragte er. „Dieser Engländer?“
„Aha! Vorhin kanntest du diese Effendis nicht, und jetzt weißt du auf einmal, daß der eine von ihnen ein Engländer ist! Frage ihn, wo er heute nacht gewesen ist. Nur mußt du französisch sprechen, da er das Türkische nicht versteht.“
Der Derwisch gehorchte ganz unwillkürlich und fragte französisch:
„Wo wollen Sie in letzter Nacht gewesen sein?“
„Hier, bei Ihnen. Im Garten“, lachte der Lord. „Ich hoffe, daß Sie meine Stimme noch kennen. Wenn Sie sich meiner noch erinnern, so beabsichtigten wir uns heute abend die versprochene Haremsfrau zu holen.“
„Verdammter Kerl!“ rief da der Derwisch aus und schlug mit den geballten Fäusten auf Wallert und Normann ein, um sie zum Weichen zu bringen und sich also eine Lücke zur Flucht zu bahnen. Aber Steinbach faßte ihn sofort beim Kragen und schleuderte ihn mit solcher Gewalt an die Mauer, daß er wimmernd zusammenknickte und sich nur langsam emporrichten konnte.
„Bleib nur, Bursche!“ sagte er dabei. „Wir haben noch ein Wörtchen hinzuzufügen. Holla, Herr Oberst!“
Da wurde oben auf der Mauerkante das gerötete Gesicht Krüger Paschas sichtbar, der einen Strick herabließ, an dem der Derwisch festgebunden werden sollte. Diesem kam erst jetzt das Bewußtsein seiner gefahrvollen Lage. Er bäumte sich empor, brüllte vor Wut laut auf und schlug, stampfte und biß wie ein wütendes Tier um sich, um dem Strick zu entgehen.
„Jeben Sie ihm einen Klaps vor das Kopf auf die Nase“, ermahnte der wackere Oberst von der Mauer herab.
Diese Ermahnung war jedoch überflüssig. Steinbach hatte dem Mörder bereits die Hände um den Hals gelegt und drückte ihm die Luftröhre zusammen. Der Strick wurde ihm dann in einer Schlinge um den Körper unter die Arme gelegt, und nun zogen ihn einige Krieger des Beis empor und in den Garten hinein. Für die drei Deutschen und den Engländer ließ man eine Leiter herab, auf der sie wieder in den Garten zurückgelangten.
Hier sah es noch weit gefährlicher für den Derwisch aus als draußen. Da standen wohl an die fünfzig zu der Wache des Beis gehörige wilde Gestalten, die sofort einen Kreis um den Gefangenen schlossen, so daß an ein Entkommen desselben gar nicht zu denken war.
„Hat ihm seines Verbrechens zum Jeständnisse jebracht?“ fragte Krüger Pascha.
„Nein. Er hat nichts gestanden.“
„Jut! So werden man ihn dem Munde öffnen.“
Der Oberst gab jetzt einen Wink, und
Weitere Kostenlose Bücher