50 - Schatten über Kregen
Ich würde das erstaunlicherweise in die Tiefe gelassene Seil benutzen, hier hinausklettern, mich etwas ausruhen und dann eine Erklärung suchen. Wer auch immer diese Falle gegraben hatte, würde beim ersten Licht der Sonnen vorbeikommen, um nachzusehen, was es am Mittag zu essen gab.
Also war Eile geboten.
Gleichgültig wer die Fallensteller auch waren, sie würden wohl hungrig bleiben.
Obwohl ich möglicherweise aus dem Schutz der Palmen heraus von Fallenstellern beobachtet wurde, stand die unverzichtbare morgendliche Waschung an. Bei Krun, ich würde keiner Horde Unbekannter erlauben, mich von meinem morgendlichen Bad abzuhalten. Davon abgesehen würde das Salzwasser die Beule auf meinem Kopf kühlen.
Das Bad im Meer erfrischte tatsächlich. Die Zwillinge, die einander in alle Ewigkeit umrunden, warfen einen Schimmer auf die Wellen, den man nur mit dem Wort romantisch beschreiben kann. Die nächsten Punkte auf der Liste waren Essen und Trinken.
Das Leben auf Kregen ist romantisch und praktisch zugleich, auf dieser großartigen und barbarischen Welt ist alles untrennbar miteinander verbunden. Ich schüttelte das Wasser ab, streifte das Haar zurück, watete aus dem Wasser und betrat den Strand. Erst dort wurde mir die unglaubliche Dummheit meines Verhaltens bewußt.
An die Schönheit und den Schrecken Kregens zu denken – mein Val! In der kregischen Nacht sorglos schwimmen zu gehen war die Tat eines unzurechnungsfähigen Wahnsinnigen! Im Wasser lauerten Ungeheuer. Warum ich nicht als Appetitanreger in einem reißzahnbewehrten Maul verschwunden war, konnte ich nicht sagen. Bei den eitrigen Augäpfeln und den schwarzen Zähnen Makki-Grodnos! Ich mußte meinen alten Voskschädel von diesem Nebel befreien. In diesem Zustand würde ich keine zehn Mur überleben, wenn die Realität zuschlug – und zuschlagen würde sie, bei Krun!
Weitere Kokosnüsse würden das unmittelbare Nahrungsproblem lösen, obwohl da eine bessere Lösung gefunden werden mußte. Als ich an der Stelle vorbeiging, wo mich die Fallgrube beinahe das Leben gekostet hatte, entdeckte ich im ersten rosigen und apfelgrünen Licht eine zweite Reihe von Fußabdrücken neben denen, die ich verursacht hatte. Eine nähere Betrachtung enthüllte die bemerkenswerte und ernüchternde Tatsache, daß sich zwischen den Zehen kleine Schwimmhäute befanden.
Das Seil, das ich mitgenommen und nun zusammengerollt über den Arm gestreift hatte, mußte von dem Shank geflochten worden sein, den ich aus den Schiffstrümmern befreit hatte. Falls es hier noch andere schiffbrüchige Fischköpfe gab, hatte ich meine Zweifel, daß sie mir aus der Falle geholfen hätten.
Die Fußabdrücke folgten dem Rand der Palmen, drehten dann jäh um – und verschwanden im Inselinnern. Was hatte mein neuer Bekannter da erspäht?
Die Sonnen von Scorpio gingen in ihrer ganzen Pracht auf, der neue Tag begann, und ich stand vor einigen Rätseln. Ich streckte mich. Großartig! Einmal abgesehen von der ständigen Sorge um Paz und der alles überschattenden Frage, warum genau ich mich eigentlich hier befand, konnte ich mich in den neuen Tag stürzen.
Bis auf zwei parallele Reihen von Abdrücken, die vermutlich von Krabben stammten, waren an diesem Teil des Strandes keine Spuren zu entdecken. Ich wollte die Tiere nicht töten, aber es war möglich, daß es doch erforderlich wurde.
Vor mir lag die Aufgabe, landeinwärts auf die Berge zuzumarschieren und Wasser zu finden. Kokosnußmilch war nicht schlecht, trotzdem, bei Krun ... Der verfluchte ausgetrocknete Flußlauf erfüllte mich mit Sorge. Das sah nicht gut aus. Andererseits hätte es ohne Wasser nicht diese wild wuchernde Vegetation gegeben. Ich ging energisch los und hielt dabei nach Fallen Ausschau.
Die Grube, in die ich gestürzt war, hatte zwar einen schlammigen Untergrund gehabt, aber es waren keine Wasserpfützen zu sehen gewesen. Das bedeutete, daß ich sehr tief würde graben müssen, wenn ich auf dem Land kein Wasser fände. Davon abgesehen verstand ich genug vom Waldläufertum, um wasserhaltige Knollen oder Wurzeln zu finden. O nein, ich würde schon nicht verdursten. Für meinen Tod würden vermutlich andere Mächte sorgen.
Gelegentlich glaubte ich Fußspuren entdeckt zu haben, aber sie waren zu undeutlich, als daß ich es mit Genauigkeit sagen konnte.
Die Düfte, die die Luft erfüllten, stellten eine reizvolle Mischung dar. Blühende Blumen, verfaulende Pflanzen, ein undefinierbarer, kaum wahrnehmbarer Tiergeruch, das
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