50 - Schatten über Kregen
alles bildete zusammen mit dem Staub eine aufregende Geruchspalette.
Bemerkenswerterweise stank mein fischiger Bekannter nicht nach Fisch. Auch sein Blut war rot. Ob das Sprichwort ›Wenn man vom Teufel spricht ...‹ der Wahrheit entspricht, kann ich nicht sagen, doch der Anblick, der sich mir bot, als ich um den bis dahin größten Baum umrundete, war im höchsten Maße ungewöhnlich.
Wer auch immer dafür verantwortlich war, hatte gute Arbeit geleistet.
Ich blieb stehen und gab keinen Laut von mir. Man hatte vier stabile Holzpflöcke in den Boden getrieben und den Shank an Hand- und Fußgelenken daran gefesselt. Er lag mit ausgebreiteten Armen und Beinen da, seine Brust hob und senkte sich kaum merklich. Man hatte ihm das Gewand abgenommen. Seine Augen waren geschlossen. Er hatte mein Kommen nicht gehört, und es hätte mich auch sehr gestört, wäre das der Fall gewesen.
Ich ließ die Blicke schweifen, um alles genau aufzunehmen. Möglicherweise versteckte sich hier jemand. Ich verspürte nicht den geringsten Wunsch, mich gefesselt am Boden wiederzufinden – insbesondere deshalb nicht, weil eine glänzende Spur von dem Shank ins Unterholz führte. Das klebrige Zeug bedeckte auch seinen Körper. Man hatte Muster damit gemalt. Wenn seine Peiniger religiös waren, dann handelte es sich um einen blasphemischen Haufen, soviel stand fest.
Wie lange das Fischgesicht dort lag, war schwer zu sagen. Aber so schrecklich lange konnte es nicht sein, denn es waren keine Ameisen zu sehen.
Schließlich kamen sie an und arbeiteten sich aufgeregt die süße Spur entlang. Sie hatten sechs Beine, waren rot und so groß, wie es sich für Ameisen gehörte. Wenn sie mit dem Fischgesicht fertig waren, wäre nicht mehr viel von ihm übrig.
Ich dachte flüchtig an Makki-Grodno und die Heilige Dame von Belschutz. War ich etwa so lange mit dem Burschen gestraft, wie ich mich auf dieser verdammten angeblich unbewohnten Insel aufhielt? Ich verdrängte diese Gedanken, ging zu ihm hin, ergriff eine Fußfessel und zerriß sie mit einem Ruck ärgerlicher Ergebenheit. Der Fischkopf schlug die Augen auf.
Dann sagte er etwas, es war ein zischendes, krächzendes Geblubber. Ich erwiderte nichts, sondern zerriß auch noch die restlichen Fesseln. Ich bückte mich und half ihm auf. Er stieß einen leisen Schrei aus, blieb aber schwankend stehen. Nun, ich habe schon immer gesagt, daß die Shanks über beträchtlichen Mut verfügen.
Er ruderte mit den Armen und stampfte mit den Füßen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen. Ich hingegen glaubte zu wissen, warum ich mich so seltsam verhielt, da doch jeder guter Pazianer einen Shank sofort tötet, sobald er ihn sieht. Das hatte nur mit diesem Abscheu vor dem Töten zu tun, und mit der Art und Weise, wie Delia mich ansah. Bei Djan, was auch immer nun geschah, ich war selber daran schuld.
Nun ist Kregisch die Verkehrssprache von ganz Paz. Auf der anderen Seite der Welt haben sie ihre eigene Sprache, und die heißt – logischerweise – Schannisch. Die Savanti aus Aphrasöe, die mich als erste nach Kregen geholt haben, gaben mir damals eine Sprachpille, damit wir uns verständigen konnten. Die Pille befähigte mich dazu, auch Schannisch zu sprechen, eine seltsame Sprache, die man in Paz nicht umfassend versteht.
»Du magst ein nackthäutiger und ungehobelter Barbar sein, den man auf der Stelle erschlagen sollte, und du verstehst kein Wort von dem, was ich hier sage«, sagte der Shank. »Das alles trifft wohl zu. Aber so wie Schandler alles beherrscht, muß ich dir dafür danken, daß du mir das Leben gerettet hast – was auch immer das wert war.«
Beinahe – aber wirklich nur beinahe – hätte ich meine schwarzzähnige Weinschnute geöffnet und ihm in seiner Sprache geantwortet. Aber in gewissen Situationen ist Dray Prescot ein durchtriebener alter Leemjäger, selbst wenn er in anderen der größte Onker aller Zeiten ist. Also erwiderte ich auf Kregisch: »Ich weiß nicht, was du da vor dich hinmurmelst.« Ich zeigte auf den Pfad. »Wir sollten lieber hier verschwinden.«
Er begriff den Sinn meiner Worte. Ich war zuversichtlich, daß er kein Kregisch verstand, obwohl es natürlich durchaus hätte sein können. Einige Shanks lernen ein paar Wörter, damit sie den Katakis Befehle geben können.
Dieser Bursche hier sah nicht dumm aus. Er war muskulös und schlank. Das rote Blut bewies, daß er ihnen einen guten Kampf geliefert hatte, bevor sie ihn überwältigten und fesselten.
In meinem
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