51 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 03 - Jagd durch die Prärie
zurück, als ob jemand ihm einen Stoß versetzt hätte.
„Polikeff!“ rief er aus. „Höre ich recht?“
„Graf Alexei Polikeff!“
„Welch ein Zusammentreffen! Was würdest du tun, wenn du ihm begegnetest?“
„Ich würde ihm alle seine Taten ins Gesicht schleudern. Er ist ein Verbrecher, ein Halunke!“
„Schön! Du wirst noch heute mit ihm sprechen können.“
„Heute, Effendi?“ frage Nena, indem er gewaltig große Augen machte.
„Ja. Ich bin hier, ihn zu fangen. Er kommt mit den flüchtigen Beni Suef hierher.“
„Allah il Allah! Gott ist allmächtig! Jetzt wird mein heißester Wunsch erfüllt. Kennst du ihn?“
„Ich kenne ihn als einen der größten Halunken, die es geben kann. Ich bin ihm von Stambul aus bis hierher nachgereist, um ihn zu fangen.“
„Oh, so wirst du mir vielleicht helfen, eine Tat wiedergutzumachen, die ich gar nicht beabsichtigt hatte.“
„Welche?“
„Sage mir vorher, ob er ein Weib besitzt.“
„Nein.“
„Allah sei Dank! So hat also Semawa ihm glücklich widerstanden!“
Beinahe hätte Steinbach laut aufgeschrien. Semawa heißt im Arabischen soviel wie Himmelblau. Im Türkischen heißt ganz dasselbe Wort Gökala. Waren diese beiden eine und dieselbe Person? Sollte ihm hier im fernen Winkel der Wüste, die so heiß ersehnte Aufklärung werden, die er in Stambul vergebens gesucht und die ihm sogar von Gökala selbst verweigert worden war? Er glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dürfen. Fast ohne Atem vor Aufregung und Erwartung fragte er:
„Wer ist Semawa?“
„Die Tochter des Maharadschas von Nubrida.“
„Herrgott! Kennst du sie?“
„Ich habe sie oft gesehen, als ich noch Untertan von Banda, ihrem Vater, war.“
„Wie lange ist das her?“
„Sechs Jahre.“
„Wie alt war sie damals?“
„Vielleicht fünfzehn.“
„Das stimmt; das stimmt ganz sicher. Mein Gott! Sie muß schon damals so entwickelt gewesen sein, daß sie sich im wesentlichen seitdem nicht mehr verändert haben kann.“
„Ihre Mutter war eine Deutsche, die Tochter eines Arztes in englischen Diensten. Sie war so schön, daß der Maharadscha sie zur Frau begehrte. Sie willigte ein unter der Bedingung, daß sie die einzige Frau des Herrschers bleibe. Er hat sie sehr geliebt und Wort gehalten. Semawa war ihr einziges Kind.“
„Beschreibe mir diese Tochter!“
„Sie war ein lichtes, entzückendes Gebilde des sonnigen Tages, blond, mit einem Haar wie flüssiges Gold. Ihre Augen wetteiferten mit dem schönsten Blau des Himmels; es gab in ihnen zuweilen ein Leuchten und Glühen, als ob der Blick Brillanten strahle. Wegen der Farbe dieser herrlichen Augen erhielt sie den Namen Semawa – Himmelsblau.“
„Und sie kam später zu dem Grafen Polikeff?“
„Ja, aber nicht freiwillig. Sie war gleichsam seine Gefangene. Ich werde es dir erzählen.“
„Sie ist es, sie ist es! Herr, mein Heiland, welch ein Tag, welch ein Tag!“
„Du kennst sie alle?“
„Ich habe sie in Stambul gesehen mit dem Grafen. Sie ist mit ihm jetzt in Ägypten.“
„Hast du mit ihr gesprochen?“
„Ja.“
Steinbach befand sich wie im Fieber. Er hatte seine Fragen so schnell hintereinander ausgesprochen, daß Nena mit seinen Antworten kaum zu folgen vermochte. Der Inder warf einen forschenden Blick auf ihn.
„Verzeihe mir die Frage, Effendi“, sagte er in bescheidenem Ton. „Ich tue sie nicht aus Neugierde. Liebst du sie?“
„Unendlich!“ antwortete der Gefragte.
Nur seine Begeisterung war schuld, daß ihm die Antwort entfuhr, die er sonst wohl einem so untergeordneten Menschen gegenüber nicht gegeben hätte. Aber jetzt war ihm das alles ganz und gar gleich, und er fuhr fort:
„Wenn du mir Auskunft über ihr Verhältnis zu dem Grafen geben könntest!“
„Das kann ich, viel besser als jeder andere, vielleicht ebensogut wie sie oder der Graf selbst!“
„So werde ich dich belohnen, daß du mehr, viel mehr als nur zufrieden sein sollst!“
„Du hast mich bereits überreichlich belohnt, indem du mir die Freiheit versprachst. Gib mir jetzt noch ein Kleid, so verlange ich weiter nichts.“
Nena deutete auf sein armseliges Hemd. Steinbach nickte eifrig und zustimmend:
„Jawohl, natürlich! Ich vergesse dich ganz, indem ich nur an mich denke. Du sollst sofort haben, was du dir wünschst. Wir können ja dann auch von Semawa sprechen. Komm, folge mir!“
„Ist auch der Scheik gefangen?“
„Ja; du brauchst ihn nicht zu fürchten.“
Schnell schritten sie dem Lager zu. Als
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