51 - Mord auf Kregen
vielen Namen abzuspulen, mit denen man mich gerufen hatte, sagte ich bloß: »Du hast ihn bereits benutzt.«
Er dachte kurz nach. »Ah! Als du in die Schatten gesprungen bist. Ich hatte die Warnung, den Kopf nach unten zu nehmen, noch nicht ganz ausgesprochen.«
»Du warst ziemlich – brüsk.«
»Ja, nun, ich war erregt und davon überzeugt, man hätte dich gesehen.« Er deutete auf den linken Gang. »Kommt.«
Nachdem wir das Pappattu erledigt hatten, schlichen wir weiter.
Anscheinend war er doch kein so schlechter Kerl. Vielleicht mußte man die Arroganz, die ich entdeckt hatte, der gefahrbeladenen Situation zuschreiben. Er war der Anführer, und Opaz weiß, daß die Anführer den größeren Teil der Bürde tragen. Aber daran hatte er bei seiner Bemerkung über die Abdankung des Herrschers von Vallia nicht gedacht.
Surrey, der in Wirklichkeit Otto die Lanze war – hieß er dann jetzt nicht Surrey die Lanze –, stieß eine vergoldete Flügeltür auf und teilte uns im gleichen Atemzug mit, sie führe in einen Vorraum für Leute, die durch den Hintereingang hereinkämen. Ich blickte an Surrey vorbei und sah die Bescherung. Verkrümmte Körper lagen in roten, rutschigen, trocknenden Pfützen. Der würgende Gestank vergossenen Blutes erfüllte die unbewegliche Luft.
»Das also ist mit ihnen geschehen!« stieß Kov Randalt hervor.
Die zwischen den toten Apim liegenden Leichen der Numimkrieger gaben traurig Zeugnis von dem Widerstand, den sie geleistet hatten. Das erklärte die Szene vor dem Palast. Nach diesem blutigen Beweis zu urteilen, hatte es Jurukker gegeben, die treu zu Kov Randalt gehalten hatten.
»Kümmere dich um die Kinder, Kov!« Ich stieß es heraus, ohne nachzudenken oder zu zögern, mit dem Tonfall eines Herrschers, der Befehle gibt, die augenblicklich befolgt werden.
Er zuckte zusammen. Dann erkannte er die Wahrheit in meinen Worten, beugte sich über die Kinder und hielt ihnen die Augen zu. Bei Krun, auf Kregen sind Kinder hart im Nehmen – wie sehr man es sich in einer vollkommeneren Welt auch anderweitig wünschen würde.
Kovneva Esme, die in eine Decke eingewickelt in meinen Armen lag, stöhnte auf. Die Kinder fingen an, in ihren hohen Stimmen Fragen zu stellen. Der häßliche Geruch bereitete ihnen Unbehagen.
Dicke Säulen stützten das Dach, unter dem die Schatten lauerten. Die Lampen waren nicht nachgefüllt worden; sie qualmten und verbreiteten unbeständiges Licht, so daß wir uns vorkamen, als stünden wir mitten in einem Schattenspiel.
Ein weißer Schemen flatterte aus dem hohen Zwielicht. Eine weiße Taube kreiste kurz in der Luft. Mit einem anmutigen Schwingenschlag drehte sie um, stieg wieder in die Höhe und verschwand.
Nicht sicher, ob Surrey dieses Phänomen gesehen hatte, wollte ich ihn danach fragen, als er sich entschlossen in Bewegung setzte, den Kopf nach hinten wandte und rief: »Kommt schon. Schnell.«
Dieser Blick über die Schulter war sein Verhängnis.
Ein Mann trat aus der Deckung einer dicken Steinsäule. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde sein Körper in ein blaues Licht aus einer unbekannten Quelle getaucht. Er baute sich vor Surrey auf, bevor der Kregoinye den Kopf wieder nach vorn gewandt hatte.
»Beweg dich nicht, oder du bist ein toter Mann!« Die Stimme war honigsüß, die Worte von wilder Entschlossenheit erfüllt. »Du! Laß die Kovneva herunter. Sachte!« Eine Schwertspitze drückte gegen Surreys Kehle. »Gesteht eure Niederlage ein. Euer Entführungsversuch ist gescheitert. Ich will euch nicht beide töten, aber, Jalam der Vernünftige ist mein Zeuge, ihr verdient es, voller Verachtung in die Eisgletscher von Sicce geschickt zu werden!«
Ein heller Blutstropfen erschien an Surreys Hals, dort, wo sich die Schwertspitze unbarmherzig in die Haut bohrte.
10
Der Augenblick nahm kein Ende, voller Anspannung durch die Möglichkeit plötzlichen Todes.
Nun war Otto die Lanze, der sich lieber Surrey nannte, ein von den Herren der Sterne erwählter Kregoinye. Die Everoinye treffen ihre Wahl nie leichtfertig – auch wenn sie mir oft genug zu verstehen gegeben haben, für wie fragwürdig sie ihr Urteil in meinem Fall halten –, und die Leute, die ihnen dienen, sind Meister und Meisterinnen ihres Fachs.
Der energische Neuankömmling war in den Schatten nicht mehr als ein dunkler Umriß. Seine Klinge bohrte sich gierig tiefer.
Ich mußte Surrey seine Chance verschaffen. Ich sagte: »Quidang, Notor!« und bückte mich, um Esme abzusetzen,
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