52 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 04 - Arizona
umgekehrtem Verhältnis zur Außenwelt. Wind muß ja sein, ist draußen keiner, so geht er im Inneren des Menschen. Wie viel Grad haben wir heute?“
„Zwanzig nach Reaumur.“
„Wieviel macht das nach Celsius?“
„Fünfundzwanzig.“
„Stimmt! Ich finde, daß du eine sehr gute Lebensanschauung hast und dir die Zahlen sehr gut merkst. Doch gehe jetzt. Dort kommt ein Gast, den ich noch nicht kenne. Ich muß ihn prüfen, ob er würdig ist, in meinem Haus eine Erquickung zu genießen.“
Pedro ging. Draußen schüttelte er lächelnd den Kopf und murmelte:
„Jetzt hat sie die halbe Flasche leer und ist selig. Wehe dem Gast, der da kommt.“
Der Betreffende schien keine Ahnung von dem Empfang zu haben, der seiner wartete. Er kam mit rüstigen Schritten herbei. Noch in jugendlichem Alter stehend, machte er einen sehr guten Eindruck. Kräftig gebaut, gab er seinen Bewegungen eine unbewußte Eleganz, die in dieser Gegend wohl selten zu sehen war. Doch trug er ganz gewöhnliche Kleidung von dunkelblauem Tuch, Jacke, Hose und Weste, dazu bis an die Knie reichende Schaftstiefeln und einen breitrandigen schwarzen Filzhut. Die Uhr war an einer einfachen Gummischnur befestigt, an dem kleinen Finger der rechten Hand hatte er einen massiven Goldring mit einem höchst wertvollen Diamanten.
Er grüßte Pedro kurz, aber leutselig und blieb dann vor dem Eingang stehen, um für einige Augenblicke das sonderbare Schild zu studieren. Dann trat er in die Gaststube und grüßte:
„Buenos días – guten Tag!“
Emeria saß wieder auf ihrem Stuhl. Sie tat, als ob sie den Eintretenden weder bemerkt noch gehört habe.
„Buenos días!“ wiederholte dieser.
Auch jetzt antwortete sie nicht. Er setzte sich jedoch an einen Tisch, und da er wohl glauben mochte, daß sie schwer höre, sagte er zum dritten Mal, und zwar mit sehr erhobener Stimme:
„Buenos días, Señora!“
Da erhob sie sich langsam, drehte sich ebenso langsam nach ihm um, rückte ihre Klemmbrille zurecht, betrachtete den jungen Mann eine ganze Weile und sagte in verweisendem Ton:
„Ihr wißt wohl nicht, in welcher Weise man zu grüßen hat, Señor?“
Der Gast lächelte leise und antwortete ruhig:
„Bisher habe ich geglaubt, es zu wissen.“
„Nein, Ihr wißt es nicht!“
„So werde ich Euch sehr dankbar sein, wenn Ihr die Güte haben wolltet, es mich zu lehren.“
„Warum laßt Ihr meinen Titel weg?“
„Ach so! Verzeiht! Aber als ich zum dritten Male grüßte, habe ich es wieder gutgemacht, indem ich den Titel hinzufügte.“
„Es war falsch.“
„Das sollte mir leid tun.“
„Ich bin nicht Señora, sondern Señorita.“
„Da seht Ihr mich ganz trostlos. Aber ich konnte wirklich nicht wissen, daß Ihr nicht Frau, sondern noch Jungfrau seid.“
„Ihr konntet Euch erkundigen!“
„Da habt Ihr recht, und ich bitte abermals um Entschuldigung!“
„Ich kann es nicht anhören, wenn das starke Geschlecht um Verzeihung und Entschuldigung bittet. Es ist so unmännlich.“
„Ich glaube nicht, daß unsere Stärke darin bestehen soll, rücksichtslos und grob zu sein!“
„Und doch seid Ihr beides selbst jetzt noch!“
„Wieso?“
Der junge Mann hatte bisher freundlich und heiter gesprochen, jetzt aber zeigte sich auf seiner Stirn eine kleine Falte.
„Ihr sprecht mit einer Dame und bleibt doch auf Eurem Stuhl sitzen, obgleich Ihr seht, daß ich vor Euch aufgestanden bin.“
„Aber erst, nachdem ich dreimal gegrüßt hatte.“
„Ihr hattet falsch gegrüßt; da mußte ich sitzenbleiben, um Euch zu strafen.“
Da erhob sich der junge Mann langsam und griff nach seinem Hut.
„Señorita“, sagte er. „Ihr scheint Eure Stellung ganz mißzuverstehen. Ich komme nicht, um Euch zu begrüßen, sondern um Euch eine Erquickung abzukaufen, die ich genießen will und bezahlen werde.“
„Das ist ganz gut, aber wer mir nicht gefällt, der bekommt nichts.“
„Nun, ich muß annehmen, daß ich Euch nicht gefallen habe und also nichts bekommen werde. Adiós, Señorita!“
Damit wandte er sich nach der Tür; aber bereits in demselben Augenblick stand sie zwischen derselben und ihm, streckte ihm abwehrend ihre langen, weit auseinandergespreizten Finger entgegen und gebot ihm:
„Halt! Ihr habt zu bleiben! Noch habe ich Euch nicht entlassen. Erst muß ich erfahren, ob Ihr würdig seid, eine Erquickung von mir einzunehmen.“
„Wie wollt Ihr das erfahren?“
„Indem ich Euch examiniere.“
„Und Ihr meint, daß ich mir dies gefallen
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