Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
und Werg zu Fackeln. Es ist nur auf sechs Holzsäulen gebaut. Man kann also unten hindurchblicken. Da würde die Wache die Flucht sofort bemerken.“
    „Sie würde ihn wohl nicht entlaufen lassen?“
    „Nein. Es stehen zwei Mann dort, welche den Befehl haben, scharf aufzupassen und ihn sofort zu erschießen, wenn er einen Fluchtversuch wagen wollte.“
    „Das wird nicht geschehen. Das Gefängnis ist ja verschlossen.“
    „Ja. Es hat eine Tür mit einer Krampe und einem Vorstecker. Leider aber ist daneben ein Loch, so daß man also auch herauslangen und von innen öffnen kann. Damit er das nicht benutzen soll, haben wir ihn an einen Balken angebunden. Jetzt aber muß ich fort. Ich habe ein kleines Täubchen im Saal, welches auf mich zum Tanze wartet.“
     Er ging und auch die Anderen setzten ihren Weg fort. Sam konnte besser russisch verstehen als sprechen. Er mußte Jim und Tim die Worte des Unteroffiziers übersetzen.
    „Nun, was meinst du?“
    „Daß es gelingen wird.“
    „Ja, da denke ich auch.“
    „Trotz der scharfgeladenen Gewehre der beiden Wächter?“
    „Pah! Auf solche Blasrohre gebe ich nicht das geringste. Mit einem Dutzend solcher Kerle würden wir fertig werden, und es sind doch nur zwei. Freilich wäre es weit besser, wenn wir List anwenden könnten. Unsere Gestalten verraten uns. Du bist zu dick, und wir sind zu lang.“
    „Wir werden zunächst rekognoszieren und dann sehen, was zu machen ist.“
    Sie erreichten das Jahrmarkts-Zeltlager und traten in die Jurte des Tungusen. Es brannte rundum kein Feuer mehr, und da die Nacht stockfinster war, machte es den drei gewandten und erfahrenen Jägern gar keine Mühe, sich heimlich wieder aus dem Lager zu entfernen.
    Jim machte den Führer, weil er wußte, wo das Feuerwerksgebäude lag.
    Als die drei Freunde in die Nähe des Gebäudes gekommen waren, ließ Sam die beiden langen Brüder zurück, legte sich auf den Boden nieder und kroch auf das Gebäude zu. Es war so dunkel, daß man einen Menschen auf zehn Schritt hin kaum noch erkennen konnte.
    Die beiden Wächter hatten es sich bequem gemacht. Sie saßen unter dem Gebäude und sprachen miteinander so laut, daß man sie bereits von weitem hören konnte. Und von wem sprachen sie? Von dem Gefangenen, obgleich dieser sich gerade über ihnen befand und jedes Wort verstehen mußte.
    Sam kroch ganz nahe an sie heran. Unter dem Gebäude war es womöglich noch finsterer als im Freien. Dennoch bemerkte Sam, daß eine kurze Leiter angelegt war, denn er hatte eben die Augen eines nordamerikanischen Trappers.
    Im Verlauf des Gesprächs der Wächter hatte Sam einige Male Mühe, sich das Lachen zu verbeißen. Zwar verstand er nicht ein jedes Wort, aber der Sinn war ihm vollständig begreiflich.
    Man muß wissen, was für ein treuherziger, kindlicher, abergläubischer und auch – dummer Mensch der sibirische Kosak ist, um sich in seine Anschauungen hineindenken zu können.
    „Ja, wenn es ihm gelänge, auszureißen, so würden wir jeder hundert Knutenhiebe erhalten“, sagte der eine.
    Der andere langte mit der Hand nach hinten, um sich bei dem Gedanken an die Hiebe den Rücken zu reiben – vielleicht wußte er aus Erfahrung, wie so etwas schmeckt – und antwortete:
    „Glücklicherweise kann er nicht fort. Er ist angebunden.“
    „Wenn er aber die Stricke zerreißt?“
    „So erschießen wir ihn.“
    „Er sollte mir freilich leid tun.“
    „Mir auch. Ich würde vorher zu ihm sagen: ‚Brüderchen, bleib da und binde dich wieder an, wir müssen sonst auf dich feuern.‘“
    „Das denke ich auch. Er ist ja ein verständiger Kerl, der sich nicht um das Leben oder uns unter die Knute bringen wird. Machen wir uns also keine Sorgen. Ich bin überzeugt, daß alles sehr gut ablaufen wird.“
    „Warum?“
    „Weil heute der glücklichste Tag im Jahr ist. Weißt du schon, daß es glückliche und unglückliche Tage gibt?“
    „Das habe ich schon als Kind gewußt. Es gibt besondere Tage, an denen man nichts unternehmen darf, weder säen noch ernten, keine Reise antreten, keinen Kauf abschließen, keinen Prozeß beginnen – gar nichts, gar nichts.“
    „Richtig! Die drei unglücklichen Tage sind der erste März, weil da Sodom und Gomorrha untergegangen ist, der erste August, weil da der Teufel vom Himmel heruntergeworfen wurde; und der erste Dezember, weil an diesem Tage sich Judas Ischariot erhängte. Ebenso gibt es drei glückliche Tage; der allerglücklichste aber ist der heutige, der Tag des heiligen

Weitere Kostenlose Bücher