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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ganz freundlich in das Gesicht und antwortete:
    „Aber du wohl?“
    „Ja. Ich bin der Kreishauptmann!“
    „Na, da bist du nicht etwa ein großes Tier. Es gibt noch viel bedeutenderes Viehzeug.“
    „Was sagst du? Mit einem Tier vergleichst du mich?“
    „Ich bin bereit, dich mit jedem Viehzeug zu vergleichen, das dir gefällig ist. Du bist hier anwesend, ich bin es auch. Ich habe hier geradesoviel oder sowenig zu sprechen wie du. Du hast in deiner Amtsstube vor mir die Flagge gestrichen; hier im Saal, wo ein jeder gleiches Recht mit dem anderen hat, lasse ich mir von dir den Mund erst recht nicht schließen. Ich sage dir vielmehr, liebes Väterchen, du bist ein ganz bedeutender Dummkopf. Und dein Sohn ist ein rücksichtsloser, grober Flegel, dem es gar nichts schadet, wenn er tüchtige Hiebe bekommt!“
    Da fuhren die beiden Genannten von ihren Sitzen empor und die anwesenden Offiziere mit ihnen.
    „Mensch!“ rief der Kreishauptmann. „Aber lassen wir ihn! Er ist wirklich verrückt!“
    „Höre, Väterchen, laß dich warnen! Ich bin ein ganz gemütlicher Kerl und kann wochenlang Sauerkraut mit dir essen, ohne daß ich dich dabei verschlinge. Wenn du es mir aber zu dumm treibst, so verschlinge ich dich mit Haut und Haar! Den Bauch habe ich dazu: Schau her! Dein Sohn hat mich beleidigt. Ich verlange Genugtuung. Und wenn er sie mir verweigert, so ist er ein Feigling. Verstanden?“
    Einige blickten Sam vor Erstaunen starr an; den anderen wurde angst und bange. Im Saal war alles mäuschenstill. Die Musikanten hatten noch gar nicht wieder begonnen. Tim aber saß auf seinem Platz, lächelte vergnügt vor sich hin und streckte die langen, dürren Beine aus, um mit freundlichen Fußstößen Sam aufzumuntern, sich ja nichts gefallen zu lassen.
    Was dieser letztere gesagt hatte, war dem Kreishauptmann noch nie gesagt worden. Darum gebot er in seinem strengsten Ton:
    „Ich befehle dir, zu schweigen. Wenn du nicht gehorchst, so wirst auch du arretiert!“
    „Ah! Von wem?“
    „Von mir!“
    „Hoffentlich hast du noch nicht vergessen, was in meinem Paß steht.“
    „Nein; ich weiß noch jedes Wort genau. Aber steht etwa darin, daß wir zu deinen Grobheiten schweigen sollen?“
    „Nein, aber vielleicht, daß ich mich von dem ersten besten Kosakenrittmeister beleidigen lassen muß? Er hat mich zweimal beleidigt, und ich fordere ihn!“
    „Er schlägt sich nicht mit dir. Und selbst wenn er es wollte, würde ich es ihm verbieten.“
    „Warum?“
    „Du bist ihm nicht ebenbürtig und kein Offizier.“
    „Donnerwetter! Das ist stark. Denkst du denn, ich wisse nicht, welche Offiziere man hier bei euch anstellt? Frage an, ob man dein Söhnchen bei der Linie oder gar bei der Garde dulden würde. Keinen Augenblick. Ebenbürtig! Wenn er zur ebenen Erde geboren ist, so darf er sich gar nichts einbilden. Ich bin in einem Luftballon zur Welt gekommen, und der Chimborasso und der Dawalagiri haben bei mir Pate gestanden; der Mond ist mein Onkel und die Sonne meine Tante. Nun zeigt mir einmal eure Verwandtschaft! Übrigens ist vor einigen Tagen ein kaiserlicher Kurier hier durchgekommen. Oder nicht?“
    Der Kreishauptmann machte bei dieser letzteren Frage sofort ein ganz anderes Gesicht.
    „Was weißt du von einem Kurier?“
    „Alles, alles weiß ich!“
    „Er war ja geheim!“
    „Und doch redest du von ihm? Du gibst zu, daß er da war? Du verrätst sogar, daß er ein geheimer Kurier war? Das muß ich dem Zar erzählen, wenn ich mit ihm wieder einmal Kaffee trinke und Skat spiele.“
    Aller Augen richteten sich mit fragendem Ausdruck auf den Sprecher, der seine Worte im größten Ernst vorbrachte.
    „Kaffee? Skat? Du mit dem Zar?“
    „Ja, ich! Du freilich nicht! Und da sagst du, ich sei euch Preiselbeerkreaturen nicht ebenbürtig! Ist der Kurier nicht dagewesen, um dir zu melden, daß ein sehr vornehmer Herr kommen werde, der einstweilen nur bei dem Namen Steinbach genannt werden will?“
    Da machte der Kreishauptmann eine Bewegung des größten Erstaunens.
    „Ja, das ist so“, stieß er stotternd hervor.
    „Ihr sollt ihm die Ehre eines Ministers, eines Freundes des Zaren erweisen?“
    „Herr, das weißt du?“
    Der Beamte zeigte ein vollständig verblüfftes Gesicht, und die anderen Anwesenden beeilten sich, den Ausdruck der Hochachtung in ihre Mienen zu legen.
    „Natürlich weiß ich es!“
    „So kennst du ihn?“
    „Ja. Ich bin sein Sekretär!“
    „Mein Gott! Ist das wahr, Blagorodië?“
    Dieses Wort bedeutet

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