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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mir eine kleine Veranlassung dazu zu bieten; sie braucht nicht gar so groß zu sein. Also lustig! Die Musikanten mögen nun endlich wieder beginnen!“
    Der Kreishauptmann gab das Zeichen, und der Tanz fing von neuem an. In der Herrschaftsabteilung wollte die Musik jedoch keine erheiternde Wirkung hervorbringen. Der Kreishauptmann sprach kein Wort. Verlegenheit, Angst um das Leben seines Sohnes und verborgener Grimm nagten an ihm. Auch der Rittmeister schwieg.
    Nur Sam, Jim und Tim waren bei guter Laune. Jim war nämlich wieder zurückgekehrt. Er konnte nicht viel berichten und antwortete auf Sams Frage:
    „Er ist in einem eigentümlichen Gebäude untergebracht worden, das hinter den Wohnungen der Kosaken liegt. Es ist auf sechs Pfählen errichtet und hat ein Dach aus Schilf. Ich konnte natürlich nicht nahe heran, und viele Menschen liefen mit, die mir die Aussicht nahmen.“
    „Wird er bewacht?“
    „Ja; es stehen zwei Posten dort.“
    „Hoffentlich bleiben sie auch stehen, wenn er davonläuft. Unserer Karpala zu gefallen und diesem Rittmeister zuliebe müssen wir dem Kosaken zur Freiheit verhelfen. Oder habt ihr keine Lust? So tue ich es allein.“
    „Pah! Wir sind allemal dabei!“
    Bereits nach kurzer Zeit brach der Kreishauptmann auf. Sein Sohn begleitete ihn natürlich, und auch seine Kameraden folgten bald. Nun konnten die anderen ungestört und unbeobachtet sprechen, brachen aber auch bald auf.
    Der Kosakenunteroffizier, der den Verbannten Nummer Zehn arretiert hatte, war indessen wiedergekommen. Er hatte Karpala mit den Augen fixiert, als ob er ihr etwas zu sagen hätte. Jetzt, als sie mit ihren Eltern und den drei Jägern den Tanzsaal verließ, ging er eine Strecke weit hinaus, wo es dunkel und einsam war, und wartete dort. Als sie kamen und an ihm vorüber wollten, trat er zu ihr heran und sagte:
    „Verzeih mir, Schwesterchen, daß ich dich störe! Ich habe dir etwas mitzuteilen! Einen Gruß von Nummer Zehn. Eigentlich darf ich das nicht, denn er ist ein Verbannter und Gefangener. Aber wir alle haben ihn lieb, und der Rittmeister ist ein böser Mann. Ich soll dir Dank sagen, daß du so gut mit ihm gewesen bist. Er würde noch tausendmal in das Wasser springen, wenn er dir damit einen Gefallen tun könnte. Auch bei dem guten, dicken Väterchen läßt er sich bedanken. Er bittet euch aber, euch seinetwegen nicht in Schaden zu bringen. Er ist nur Kosak, aber er würde es bedauern, wenn ihr die Absicht hättet, euch durch eine Fürbitte bei dem Rittmeister zu erniedrigen.“
    „Kommst du wieder mit ihm zusammen?“
    „Morgen am Vormittag. Ich habe ihn dann nach Irkutsk zu transportieren.“
    „So sage ihm, daß ich seinen Wunsch erfüllen will.“
    „Hast du vielleicht noch etwas auszurichten?“
    „Nein.“
    „So schlafe wohl, Schwesterchen!“
    Dann wollte sich der Kosakenunteroffizier entfernen, Sam aber hatte in die Tasche gegriffen und ein Geldstück hervorgezogen, reichte es ihm hin und sagte:
    „Hier hast du etwas zu Wodka.“
    In einem Land, wo ein Pfund besten Rindfleisches drei Kopeken, also vier Pfennig kostet, ist das Bargeld sehr selten. Der Unteroffizier war daher über ein so rares Geschenk hoch erfreut.
    „Väterchen“, sagte er, „du bist ein sehr nobler Herr. Man merkt es, daß du der Haus-, Hof-, Leib- und Geheimsekretär eines berühmten Mannes bist. Ich bin nun bereits achtzehn Jahre Soldat und habe noch kein Trinkgeld erhalten. Du bist noch nicht achtzehn Jahre lang hier, sondern erst einen halben Tag und gibst mir doch bereits etwas für Wodka. Der Himmel schenke dir dafür soviel Fässer voll Wodka, daß du täglich von früh bis abend trinken kannst, du und deine Nachkommen bis in das hundertste und tausendste Glied.“
    „Da müßte der Himmel eine Schnapsbrennerei für meine Familie anlegen, zu der mehrere Millionen Rubel Anlagekapital erforderlich wären. Ich bin zufrieden mit täglich nur einem Faß. Der Gefangene hat wohl nichts zu trinken?“
    „Welche Frage! Er bekommt weder zu essen, noch zu trinken.“
    „Und er steckt im schlimmsten Gefängnis?“
    „Ja, im allerschlimmsten. Eigentlich ist es besser als alle anderen, weil er auf dem Werg sehr weich ruhen kann. Das Schlimmste aber ist es deshalb, weil eine Flucht unmöglich ist.“
    „Wieso?“
    „Weil er in der Ognie sztuczna steckt.“
    „Was ist das?“
    „Das Feuerwerkshaus, im welchem die Stoffe aufbewahrt werden, welche zur Beleuchtung dienen: Talg, Öl, Dochte und auch Pech, Teer, Sägespäne

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