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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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solcher Weise zu beleidigen? Ich bin Offizier, kaiserlich russischer Offizier, Herr, und mein Vater ist Kreishauptmann!“
    „Ah, so! Und wer hat euch zu dem gemacht, was ihr seid!?“
    „Der Kaiser!“
    „Pah, dem Grafen Polikeff, nämlich mir, habt ihr es zu verdanken! Doch streiten wir uns nicht. Wir kennen einander doch zu gut, um nicht zu wissen, woran wir sind. Machen wir es uns lieber gemütlich und sprechen vernünftig miteinander.“
    Der Graf setzte sich mit diesen Worten auf eins der Fässer.
    „Das können wir oben auch tun“, bemerkte der Kreishauptmann. „Sie sehen doch, daß ich nicht in der Verfassung bin, eine Konferenz zu halten.“
    „Oh, geniert euch nicht. Wir sind ja Männer. Ich möchte hierbleiben, denn erstens können wir hier weniger beobachtet werden als oben, und zweitens gefällt mir die hiesige Atmosphäre. Ich liebe den Petroleumgeruch und beneide euch sogar um das Glück, euch mit dieser angenehmen Essenz gewaschen zu haben. Wollte Gott, mir könnte dieser Genuß auch einmal zuteil werden! Ist schon der Geruch belebend und erfrischend, wie wonnig muß es erst sein, wenn es einem erlaubt ist, den ganzen Körper in einem solchen Äther zu baden!“
    „Gnädiger Herr, wir sind wirklich nicht hier, um Ihnen als Zielscheibe schlechter Witze zu dienen. Machen Sie lieber gar keine! Wir sind zwar in diesem Augenblick nicht gerade salonfähig, aber wir können es in einer Viertelstunde sein, wenn es uns beliebt. Einem jeden seine Ehre. Sie sind Graf, und so sage ich zu Ihnen ‚Sie‘. Ich bin Kreishauptmann, und mein Sohn ist Rittmeister. Wir müssen dieses Sie auch für uns in Anspruch nehmen.“
    „Vergeßt nur nicht, wer und was ihr eigentlich seid!“
    Bei diesen Worten sprang Polikeff von seinem Faß auf und stand in drohender Haltung vor dem Kreishauptmann. Dieser ließ sich jedoch keineswegs erschrecken; er fuhr gemächlich mit dem Bein in die Hosen und antwortete:
    „Wir wissen das sehr genau. Ich habe es Ihnen ja bereits gesagt: Kreishauptmann und Rittmeister.“
    „Spitzbuben seid Ihr!“
    „Oho!“
    „Ja. Oder habt ihr das vergessen?“
    „Ich weiß wirklich nichts davon.“
    Der Kreishauptmann lachte bei diesen Worten dem Grafen höhnisch in das Gesicht. Da fragte jener, dadurch aufs höchste geärgert:
    „Haben Sie etwa nicht einen gewissen Saltikoff gekannt?“
    „Nein.“
    „Nicht? Schön! Dieser Saltikoff war ein zu lebenslänglicher Verbannung nach Sibirien verurteilter Verbrecher, der jedoch einen Freund oder vielmehr einen Gönner fand, der ihn errettete und ihm Legitimationspapiere besorgte, die auf einen ganz anderen Namen, nämlich auf den Namen Rapnin, lauteten. Mit Hilfe dieser Papiere entging Saltikoff nicht nur der lebenslänglichen Verbannung, sondern machte auch eine gute Karriere, so daß er jetzt Kreishauptmann ist.“
    „Gerade wie ich!“
    „Allerdings. Sie selbst sind ja dieser Mann.“
    „Wirklich? Freut mich sehr! Es ist so selten, daß aus einem Verbannten ein Kreishauptmann wird.“
    „Sagen Sie lieber, es ist niemals vorgekommen, es ist ganz unmöglich, weil es gegen die Gesetze ist.“
    „Desto stolzer kann ich auf meine Stellung sein.“
    „Aber diese Stellung ist eine sehr prekäre. Es kostet mich nur ein Wort, und Sie werden abgesetzt. Sie befinden sich in meiner Hand. Ich brauche ja nur zu sagen, wer Sie sind!“
    „Sie können das, was Sie sagen, nie beweisen.“
    „Wirklich? Ah, jetzt verstehe ich Sie! Ich habe jedoch gewisse Papiere von Ihnen in den Händen! Ich trage sie sogar in dieser Tasche bei mir.“
    Der Graf klopfte an die linke Seite der Brust, wo sich die Tasche befand. Der Kreishauptmann richtete seine Augen funkelnden Blickes auf die Stelle und entgegnete:
    „Das können Sie zwar behaupten, aber nicht beweisen.“
    Jetzt lachte der Graf höhnisch auf, zog ein elegantes Doppelterzerol aus der Tasche, spannte beide Hähne und sagte:
    „Sie kennen mich! Sie wissen, daß ich in solchen Dingen Wort halte. Ich werde Ihnen die Papiere von weitem zeigen. Aber sobald Sie nur die geringste Bewegung machen, sie mir zu entreißen, schieße ich Sie nieder.“
    „Vater!“ sagte da der Rittmeister in warnendem Ton. „Keine Gewalttat! Er schießt wirklich!“
    „Das weiß ich. Es ist ihm zuzutrauen. Es fällt mir auch gar nicht ein, ihm eins der Papiere abzunehmen. Er mag sie behalten. Sie können mir nichts schaden.“
    „Nicht?“ lachte der Graf höhnisch. „Nun, so sehen Sie einmal!“
    Damit zog er eine Anzahl

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