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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hier gestanden, und ihr sollt noch bis gegen Abend hier stehen, ohne Essen und Trinken. Das ist schlimmer als Arrest. Und nachher erhält jeder vor der Front hundert Knutenhiebe auf den nackten Rücken.“
    „Väterchen, da müssen wir ja sterben“, sagte der andere. „So lange stehen, und dann hundert Hiebe, das hält keiner aus.“
    „Ihr sollt es auch gar nicht aushalten. Ich werde euer Fleisch dann den Wölfen vorwerfen lassen.“
    „Väterchen, übe Gnade! Fünfzig sind auch genug!“
    „Schweig, sonst gebe ich euch noch extra eine Verschärfung und lasse euch eine Stunde vor der Exekution binden und Pfeffer in die Augen streuen.“
    Die Kosaken schwiegen jetzt, und der Rittmeister schritt erhobenen Hauptes von dannen.
    Als Sam den beiden anderen erklärte, was der Rittmeister gesagt hatte, meinte Tim empört:
    „Hundert Knutenhiebe! Mein guter Sam, wie wäre es, wenn er sie selbst bekäme?“
    „Wollen sehen!“
    „Und Pfeffer in die Augen! Ich würde mich sehr freuen, wenn er einmal an sich selbst erführe, wie das tut.“
    „Vielleicht läßt es sich machen, wenigstens so ähnlich. Ich will einmal hin zu den beiden armen Kerlen.“
    Sam ging langsam auf die Kosaken zu und fragte:
    „Hört, ihr guten Leute. Ich habe alles gehört, was der Rittmeister zu euch gesagt hat. Wird er das alles wahr machen?“
    „Er wird es tun. Darauf kannst du dich verlassen.“
    „Alle Teufel! Das ist ja euer Tod!“
    „Wir wissen das und müssen es uns doch gefallen lassen.“
    „Mensch, das sagst du so ruhig?“
    „Soll ich etwa heulen? Das würde doch nichts ändern. Ich bin Soldat und weiß zu sterben.“
    „Gibt es denn keinen Menschen, der um euch weinen wird?“
    Da nahm das Gesicht des Kosaken einen ganz anderen, einen sehr betrübten Ausdruck an, und er antwortete:
    „Ich habe ein altes, gutes Mütterchen daheim, das wird sich totweinen. Und meine Marianka wird sterben vor lauter Herzeleid.“
    „Marianka ist deine Geliebte?“
    „Ja, ich bin nun zwei Jahre Soldat im aktiven Dienst. Ich hätte noch volle acht Jahre aktiv zu dienen gehabt, und so lange wollte Marianka warten. Dann wäre sie mein gutes Weibchen geworden. Nun ist das alles aus. Ich werde erschlagen wie ein Wolf.“
    Auch der andere Kosak fuhr sich mit der Hand nach den Augen.
    „Und du?“ fragte ihn Sam. „Hast du auch ein Liebchen?“
    „Ja“, nickte er. „Sie heißt Ruschinka und wollte auch auf mich warten. Sie ist arm und ernährt meine zwei kleinen Geschwister, weil meine Eltern gestorben sind.“
    „So ist sie ein sehr braves und gutes Mädchen.“
    „Sie ist besser als eine Seele. Mein Kamerad kennt sie, denn wir sind aus einem und demselben Dorf. Nun muß ich sterben, und sie wird den Waisen eine Mutter sein.“
    Es war rührend, die einfachen Menschen in dieser Weise reden zu hören, und ein heiliger Grimm erfaßte Sam. Er fragte:
    „Aber warum wollt ihr die Ausführung dieses ungerechten, unmenschlichen Urteils so widerstandslos über euch ergehen lassen? Ich an eurer Stelle würde fliehen.“
    „Desertieren? Väterchen, das verstehst du nicht. Man würde mich wieder einfangen, und dann wäre meine Lage schrecklicher noch als vorher.“
    „Ihr seid verdammt ehrliche und treue Kerle. Ich wollte, ich könnte euch helfen.“
    „Das ist unmöglich.“
    „Pah! Ich werde es doch versuchen.“
    Der Kosak betrachtete Sam vom Kopf bis zu den Füßen. Ein schwaches Lächeln glitt über sein Angesicht, als er antwortete:
    „Verzieh mir, Väterchen! Du siehst nicht so aus, als ob du uns helfen könntest!“
    „Meinst du? Hm! Wird denn ein jeder bei euch Soldat?“
    „Nein. Nur derjenige, den das Los trifft. Und wer Geld besitzt, der kann einen Stellvertreter bezahlen.“
    „Wieviel würde euch denn jetzt ein Stellvertreter kosten?“
    „Für zweihundert Rubel fänden wir welche, für dreihundert Rubel aber so viele, daß man die Wahl hätte.“
    „Wie fängt man es denn an, wenn man einen Stellvertreter sucht?“
    „Man sagt es dem Polizisten. Wenn man dem Polizisten von Platowa hier fünf Rubel schenkt, so bringt er in einer halben Stunde gleich zehn Ratniki.“
    „Was sind das für Leute?“
    „Das sind junge, militärtaugliche Männer, die sich aber freigelost haben.“
    „Und bei wem würde der Stellvertretungskontrakt abgeschlossen?“
    „Beim Rittmeister.“
    „Wenn er nun die Ratniki zurückwiese?“
    „Das kann er nicht, weil sie eben tauglich sind.“
    „So! Ich danke euch für die erteilte Auskunft. Nun

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