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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Verbannten‘ gehört hast?“
    „Ja, und zwar erst in den letzten Tagen. In Irkutsk wurde von ihm gesprochen, und unterwegs auch.“
    „Weiß man, wer er ist?“
    „Nein.“
    „Und wo er sich befindet?“
    „Auch nicht. Man ergeht sich da in verschiedenen Vermutungen. Die Ungebildeten glauben, es sei wirklich ein Engel, der vom Himmel herabkommt, oder wenigstens ein guter Geist, eine Fee oder so etwas Ähnliches. Die Klügeren wissen natürlich, daß es ein Mensch ist, sind aber nicht einig darüber, ob er männlichen oder weiblichen Geschlechtes ist.“
    „So! Und was sagt man von ihm?“
    „Daß er jeden Verbannten befreit, der in seine Nähe kommt, nämlich, wenn der Mann der Hilfe wert ist. Unwürdige liefert der Engel sogar an die Behörden zurück.“
    „Ja, das ist wahr.“
    „Das weißt auch du?“
    „Ja“, nickte sie.
    „Woher?“
    „Nun, man spricht doch überall davon.“
    Eine gewisse Röte der Verlegenheit hatte sich über ihr Gesicht verbreitet. Sam bemerkte dies, sagte aber kein Wort darüber, sondern meinte:
    „Für gar manchen mag ein solcher Engel wirklich als ein Himmelsbote erscheinen. Es gibt wohl viele, viele Verbannte, die ihr trauriges Los nicht verdient haben.“
    „Oh, hunderte, tausende!“ rief Karpala schnell und in begeistertem Ton. „Eben darum hat der Engel es sich zur Aufgabe gestellt, einen jeden Würdigen sicher über die Grenze zu geleiten.“
    „Man sagt, daß das Militär sehr dahinter ist, ihn einmal kennenzulernen.“
    „Oh, das wird nie geschehen!“
    „Meinst du?“
    „Ja. Nur die eigenen Leute kennen ihn und würden lieber sterben als ihn verraten.“
    „Nur die eigenen Leute? Hm! Ich weiß einen ganz fremden Menschen, der diesen Engel sehr genau kennt.“
    „Das ist unmöglich!“
    „O doch!“
    „Nun, so beweise es!“
    „Schön! Er ist weiblichen Geschlechts. Ist das richtig?“
    „Ja.“
    „Er ist unverheiratet, also ein Mädchen?“
    „Auch richtig.“
    „Er ist kein gewöhnliches Mädchen, sondern die Tochter eines sehr angesehenen Anführers.“
    „Ja.“
    „Er hat auch einen sehr hübschen Namen?“
    „Wie lautet der?“
    „Karpala.“
    Sie trat um einige Schritte zurück.
    „Kar –! Wen meinst du?“
    „Dich natürlich.“
    „Mich? Du denkst, ich sei der ‚Engel der Verbannten?‘“ fragte sie im Ton des größten Erstaunens.
    „Ja, mein Herzchen. Also sage mir, habe ich recht?“
    Karpala antwortete nicht sogleich.
    „Oder traust du mir nicht?“
    „Sam, dir traue ich. Du wirst es nicht weitersagen.“
    „Eher beiße ich mir den Kopf ab!“
    „Ja, ich bin diejenige, die man so nennt.“
    „Siehst du, Kindchen! Na, hier nimm meine Hand. Dein Geheimnis ist bei mir sehr gut aufgehoben. Ich will dir ehrlich sagen, daß ich ganz erstaunt über dich bin.“
    „Warum?“
    „Dieser ‚Engel der Verbannten‘ zu sein, dazu gehört ein außerordentlicher Mut. Und den habe ich dir nicht zugetraut.“
    Sie nickte leise vor sich hin und antwortete:
    „Ja, wir Frauen haben einen anderen Mut, als ihr Männer! Ihr habt den Mut der Vernichtung, und wir den Mut der Errettung, der Befreiung.“
    Ihr Gesicht hatte einen tiefernsten Ausdruck angenommen. Sie schien jetzt eine ganz andere geworden zu sein. Um den weichen, vollen Mund ging ein kurzes, energisches Zucken, und aus den Augen blitzte eine Entschlossenheit, der man schon etwas Ungewöhnliches zutrauen konnte.
    „Karpala, ich erstaune nicht nur, sondern ich bewundere dich“, sagte Sam. „Du kannst doch keinen Gefangenen befreien, ohne dich selbst in die größte Gefahr zu begeben!“
    „Ja, gefährlich ist es“, lächelte sie. „Aber du mußt wissen, daß ich viele, viele Verbündete habe. Alle Stämme der Tungusen helfen mir. Wir nehmen die entflohenen Verbannten bei uns auf, verbergen sie einzeln an verschiedenen Orten und holen sie dann zusammen, wenn wir nach der Grenze ziehen. Sie sind dann als Tungusen verkleidet und können nicht erkannt werden. Aber weißt du, so ganz leicht ist es dennoch nicht. Wir begegnen häufig Militär, das sich auf einem Streifzug nach Geflohenen befindet. Da ist es oft sehr schwierig, der Entdeckung zu entgehen.“
    „So wissen auch deine Eltern um die Sache?“
    „Natürlich. Das ganze Volk weiß es. Ich sollte ja gerade aus diesem Grund die Frau des Rittmeisters werden. Mein Vater und der Schamane haben nämlich einst verschuldet, daß ein großer Trupp von Flüchtlingen, der sich bereits ganz nahe an der chinesischen Grenze befand,

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