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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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habe gesehen, daß Sie vorhin Karpala so eigentümlich anguckten, als Sie sagten, daß Sie noch einiges erfahren müßten. Was meinten Sie damit? Jetzt hört der Fürst es nicht, und wir können also davon sprechen.“
    „Als du von dem Kosaken Nummer Zehn sprachst“, entgegnete Steinbach, „bemerkte ich, daß Karpala mit größtem Interesse bei deiner Rede war. Sie ist es auch gewesen, die euch gebeten hat, ihn zu befreien. Sollte er ihr etwa nicht ganz gleichgültig sein?“
    „Hm! Sie haben weiß Gott ein Auge wie ein Adler. Ja, er hat sie einmal vom Tod des Ertrinkens gerettet, und nun ist sie ihm gut.“
    „Sind sie einig?“
    „Es scheint so. Wenigstens habe ich noch nichts davon gehört, daß sie sich geprügelt hätten.“
    „Aber wie sollen die beiden Liebenden Mann und Frau werden? Der Kosak darf sich doch nirgends sehen lassen, ohne eingefangen und bestraft zu werden.“
    „Ich denke mir, daß der Fürst dennoch Mittel und Wege finden wird. Haben Sie von dem ‚Engel der Verbannten‘ gehört?“
    „Ja, bereits in Irkutsk.“
    „Nun, Karpala ist dieser Engel.“
    „Wirklich?“ fragte Steinbach im Ton der Überraschung. „Ja, wenn sie die Beschützerin so vieler entflohener Verbannter ist, so glaube ich schon, daß Kosak Nummer Zehn mit ihrer Hilfe entkommen wird. Und da halte ich es auch für möglich, daß sie den Gedanken hat, sich mit ihm zu verbinden, trotzdem er sich vor den Russen nicht sehen lassen darf. Doch da der Kosak kein anderer ist als Georg Adlerhorst, so dürfte er jedenfalls nach Deutschland zurückkehren. Wird sie ihm dahin folgen?“
    „Hm! Wohl kaum! Sie kommt da in arges Dilemma. Das arme Mädchen dauert mich, denn ich bin ihm wirklich gut. Nicht so, wie ein junger Bursche ein Mädchen lieb hat, sondern was ich für Karpala empfinde, ist eine mehr väterliche Regung, so ungefähr, als ob ich ein Verwandter von ihr sei.“
    „Na, es wird doch nicht etwa eine Cousine oder Nichte von dir sein?“ scherzte Steinbach.
    „Das ist allerdings unmöglich, obgleich ich in Rußland wohl auch Verwandte habe. Ich war nämlich nicht der einzige Sohn meiner Eltern. Ich hatte noch einen Bruder. Karl wollte gleich mir sein Glück in der weiten Welt versuchen und wandte sich nach Osten, nach Rußland, während ich mich im Westen, in Amerika herumtummelte.“
    „Hast du denn niemals etwas von ihm gehört?“
    „Er hat mir einige Male geschrieben und ich antwortete ihm. Dann erhielt ich von der dortigen Behörde die Benachrichtigung, daß er nach der Ukraine gezogen sei, wohin, das wußte man nicht. Also, in Rußland kann ich ganz gut Verwandte haben.“
    „Unter diesen Verhältnissen, ja. Aber Karpala geht dich keineswegs etwas an?“
    „Das versteht sich ganz von selbst. Und doch, wenn ich sie mir näher betrachte, so ist in ihrem Gesicht etwas, so etwas – etwas – wie sage ich doch gleich, so etwas, als ob ich sie früher schon einmal gesehen und gekannt haben müsse.“
    „Das kommt im Leben sehr oft vor. Mich freut es außerordentlich, daß sie der ‚Engel der Verbannten‘ ist, denn nun darf ich darauf rechnen, daß ihr Vater mir seine Unterstützung nicht versagen wird.“
    „Sie meinen also, daß wir die Tungusen brauchen werden?“
    „Ganz gewiß. Um den Maharadscha und den Kosaken herauszubekommen, reicht zwar mein Einfluß aus. Aber wir wollen doch den Grafen und auch den früheren Derwisch ergreifen. Dazu bedürfen wir zunächst einer anderen als der russischen Hilfe.“
    „Die tungusische?“
    „Ja. Ich habe freilich nicht genau wissen können, wo der Maharadscha sich befindet. Noch weniger konnte ich ahnen, daß der Graf und der Derwisch in Sibirien seien. Aber ich hatte doch eine Ahnung, daß ich des Beistandes einer hiesigen Völkerschaft bedürfe, und darum habe ich reichliche Geschenke mitgebracht, allerdings ohne zu wissen, wer dieselben bekommen werde.“
    Steinbach wurde in diesem Augenblick durch einen lauten Schrei unterbrochen, der sich in der Nähe hören ließ.
    Semawa war, als sie bemerkt hatte, daß ihr Geliebter mit Sam unter vier Augen sprechen wolle, langsam beiseite gegangen und hatte sich die Pferde Steinbachs betrachtet. An einem derselben lehnte eine schlanke, hohe Gestalt, zwar in der Tracht des Landes gekleidet, aber doch etwas Fremdartiges in der ganzen Haltung zeigend. Das scharf geschnittene Gesicht hatte eine braune, hier in Sibirien ganz seltene Farbe. Der Mann bewegte sich nicht und blickte in das Feuer, dessen Flamme ihn beschien.

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