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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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legte beide Hände an den Mund und stieß einen schrillen Schrei aus. Die Gestalt da oben zog sich gehorsam, aber langsam zurück.
    „Da seht Ihr es, es war ein Vogel“, sagte er.
    „Ein Vogel wäre fortgeflogen. Diese Gestalt aber konnte laufen; sie flog nicht, sondern sie ging zurück.“
    „Señor, ich bin hier daheim. Wenn Ihr dem, was ich sage, nicht glauben wollt, so sagt lieber gar nichts!“
    „Na, so war es ja nicht gemeint. Aber wo ist denn Eure Wohnung?“
    „Kommt! Ihr werdet sie bald sehen.“
    Sie ritten weiter. Juanito hielt sich so scharf voran, daß er nicht hören konnte, was sich die beiden Freunde zuraunten. Günther flüsterte:
    „Es war ein Mensch.“
    „Natürlich.“
    „Und wenn dieser Fels ein Vulkan ist, so lasse ich mich braten.“
    „Und ich mich fressen. Ich denke, sehr genau zu wissen, wer der böse Geist ist, von dem die Wirtin sprach.“
    „Wir werden ihn bannen!“
    „Aber äußerst vorsichtig müssen wir dabei sein. Ich bin vollständig überzeugt, daß dieser Kerl uns nach dem Leben trachtet. Jetzt nicht weitersprechen! Er darf nicht ahnen, daß wir ihn durchschauen.“
    „Oh, er ahnt es vielleicht bereits. Du hast ihm schon zu sehr widersprochen.“
    „Ja, es war unklug von mir; aber es wurde mir zu schwer, bei den Dummheiten dieses Menschen zu schweigen.“
    Sie ritten jetzt um den Fuß des angeblichen Vulkans und gelangten auf die andere Seite desselben. Sie konnten also den hinteren Teil des Todestals überblicken. Aber so weit ihr Auge reichte, war keine Spur einer menschlichen Wohnung zu erkennen. Und doch, da links befand sich ein Mauerwerk.
    Es waren drei Steinmauern, die rechtwinkelig aufeinanderstießen, an der Felswand errichtet, so daß sie mit dieser letzteren ein ziemlich hohes Quadrat bildeten.
    „Was ist das?“ fragte Steinbach.
    „Meine Wohnung“, antwortete Juanito.
    „Ohne Fenster?“
    „Die Fenster befinden sich im Inneren.“
    „Ah, die Mauern umschließen also einen spanischen Patio. Aber eine Tür muß es doch geben, sonst können wir ja gar nicht hinein.“
    „Die ist da. Kommt nur!“
    Juanito ritt um die erste und dann um die zweite Ecke, und hier gab es eine Tür, nicht hoch, so daß man vom Pferd steigen mußte, und so schmal, daß eben nur ein Pferd oder ein Mann passieren konnte. Sie war von starkem Holz gefertigt und mit Eisenblech beschlagen. Ein Schloß, ein Schlüsselloch, ein Drücker, eine Klinke, von alledem war nichts zu bemerken.
    Juanito stieg ab, und während die beiden anderen dasselbe taten, zog er seine Pistole aus dem Gürtel und klopfte sehr stark und sehr lange an. Nach einiger Zeit wurde die Tür von innen ein klein wenig geöffnet. Man sah ein rotes, verschossenes Kopftuch, unter demselben eine lange, hagere Nase und unter dieser einen welken, breiten, zahnlosen Mund, aus dem die Frage ertönte:
    „Wer da?“
    „Ich. Siehst du mich denn nicht, alte Hexe?“
    „Ach, Ihr! Und Gäste! Das ist doch verboten!“
    „Geht dich aber nichts an!“
    „Señor Roulin wird zanken!“
    „Das ist meine Sache. Willst du endlich aufmachen!“
    „Na, wenn Ihr es auf Euch nehmt! Mir kann es ja gleichgültig sein.“
    Die Frau stieß die Tür vollends auf und trat heraus. Sie hatte ganz das Aussehen jener alten Hexe im Kindermärchen, die im tiefen Wald wohnte und die Kinder fraß, die sich zu ihr verliefen.
    Sie war barfuß und hatte nichts als einen alten, zerrissenen Rock und ein Hemd an, das wohl niemals gewaschen worden war. Ihre Füße sahen vollständig schwarz aus, ebenso ihre nackten Arme und Hände. Diese Alte machte in der Tat ganz den Eindruck, als ob sie soeben aus der Räucherkammer komme, in der sie monatelang gehangen habe und nun zur Mumie eingetrocknet sei. Sie richtete ihre wimperlosen, triefenden Augen auf die beiden Fremdlinge und sagte:
    „So geht hinein und seid willkommen! Es wird euch bei uns gefallen, hihihi!“
    Dieses Lachen klang wie das Gekrächze eines Raben oder eines nächtlichen Raubvogels, der triumphiert, weil er seine Beute bereits in den Krallen hält.
    Juanito trat ein und zog sein Pferd hinter sich her. Steinbach und Günther taten dasselbe.
    Sie gelangten durch einen finsteren Hausgang in den Hof. Hier gab es allerdings einige Fenster. Von Glas und Rahmen aber war keine Spur. Die Fenster bestanden nur in schmalen, schießschartenähnlichen Maueröffnungen.
    „Bringt eure Pferde in den Stall“, meinte Juanito und schritt den Freunden voran nach einem offenen, türlosen Raum, der die

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