54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
und an seiner dicken goldenen Uhrkette hingen Berlocken, deren Wert gar manchem armen Teufel hätte Erlösung bringen können.
Auf der Nase trug er einen goldenen Klemmer mit tiefblauen Gläsern. Vor diesen Gläsern und dem Bart war von dem ganzen Gesicht nur die Nase und die Stirn zu sehen.
Der andere war lang und hager.
Seine Stirn war hoch, schmal und kahl, sein Gesicht sehr scharf geschnitten und sein Mund breit und ohne Lippen. Dieses spitze, glattrasierte Gesicht machte ganz den Eindruck des steten Horchens und Lauerns. Es schien, als sei dieser Mann allezeit bereit, jemanden auf frischer Tat zu ertappen. Und dies wurde keineswegs gemildert durch den unbestimmten, ruhelosen Blick seiner grauen Augen, denen es unmöglich war, auf irgendeinem Gegenstand haftenzubleiben.
Der erstere Herr hatte jedenfalls auf den letzteren gewartet, denn er hatte sich zu seiner Flasche Wein gleich zwei Gläser geben lassen. Eins derselben füllte er jetzt für den Neuangekommenen.
„Sie erscheinen später, als verabredet worden war“, sagte er dabei in fremdländischem Deutsch.
„Bitte um Verzeihung!“ entschuldigte sich der Hagere. „Ich erhielt noch im letzten Augenblick einen Besuch, der nicht abzuweisen war.“
„Geschäfte?“
„Ja, ich bin Vermittler.“
„Da entdecke ich eine ganz neue Eigenschaft an Ihnen.“
„Kennen Sie denn meine Eigenschaften?“
„Zur Genüge. Es versteht sich ganz von selbst, daß ich mich nach Ihnen erkundigt habe.“
Über das Gesicht des anderen zog eine leise Röte. Er drückte das eine Auge zu und sagte:
„Darf ich fragen, was Sie da erfahren haben? Ich bitte um Offenheit! Bei wem haben Sie sich erkundigt?“
„Bei der hiesigen Polizei.“
„Donnerwetter!“
„Bitte! Da ich Fremder bin, gab es für mich keine andere Vertrauensperson, daher mußte ich mich an sie wenden.“
„So befürchte ich, daß man Sie vor mir gewarnt hat. Sie werden nun also kein besonderes Vertrauen zu mir haben.“
„O doch! Gerade was ich erfahren habe, bestätigt meine Ansicht, daß Sie mir dienen können. Ich erfuhr, daß Sie einst ein sehr tüchtiger und brauchbarer Kriminalbeamter gewesen seien. Dann aber hätten Sie einen kleinen Griff getan –“
„In eine fremde Kasse, ja. Der Grund war, daß gerade die besten Beamten am schlechtesten bezahlt werden.“
„Sie wurden abgesetzt?“
„Ab- und eingesetzt, nämlich ins Zuchthaus.“
„Stimmt! Nach Ihrer Entlassung widmeten Sie sich verschiedenen Agenturen und wurden, was der Grund war, mich an Sie zu wenden, nebenbei Geheimpolizist für private Zwecke.“
„Bedürfen Sie in dieser Beziehung meine Hilfe? Ich bin bereit, vorausgesetzt, daß Sie sich zu einem guten Honorar verstehen.“
„Da brauchen Sie gar keine Sorge zu haben. Ich zahle fein. Sie werden mit mir zufrieden sein.“
„Nun, da müßte ich allerdings wissen, um was es sich handelt.“
„Sie sollen mir einige Personen ausfindig machen, nach denen ich vergeblich ganz Deutschland durchsucht habe.“
„Natürlich sind es doch Verbrecher? Wollen Sie mir sagen, wer diese Personen sind?“
„Sie stellen da eine Frage an mich, die nicht leicht zu beantworten ist.“
Der Schwarzbärtige blickte nachdenklich in sein Weinglas. Der Agent warf ihm einen schnellen, forschenden Blick zu und bemerkte:
„Vor allen Dingen ist eins zu erledigen. Wenn ich Ihnen dienen soll, muß ich vorher überzeugt sein, daß ich Ihnen dienen kann. Das ist aber nur dann der Fall, wenn ich ganz genau weiß, wen ich vor mir habe.“
Der andere blickte schnell und fragend auf:
„Wissen Sie das nicht? Sie haben doch meine Karte!“
„Die habe ich allerdings. Auf ihr ist zu lesen, daß Sie Abraham heißen und in Kairo Bankier sind.“
„Nun, so wissen Sie genug!“
„Ich weiß nur, daß dies ein Pseudonym ist, denn ich fragte beim Konsulat telegrafisch an und erhielt die Antwort, daß ein Bankier Abraham überhaupt nicht in Kairo existiere.“
„Das hätten Sie unterlassen sollen!“
Der Agent zuckte die Achsel.
„Geschäftsprinzip, von dem ich nicht abgehe. Wenn ich mit Erfolg operieren soll, muß ich wissen, wer Sie sind.“
Der Dicke blickte schweigend vor sich nieder.
„Sie können sich natürlich auf die allerstrengste Verschwiegenheit meinerseits verlassen“, fügte der Agent hinzu. „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort.“
Der Bärtige warf ihm einen Blick zu, in dem die stille Frage lag, ob jener überhaupt noch eine Ehre habe, doch antwortete er:
„Gut! Ich werde
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