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54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

Titel: 54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Stimmen hören. Jedermann gönnte der schönen, allgemein beliebten Karpala, dem Engel der Verbannten, das Glück, ihre Eltern gefunden zu haben.
    Sam war unendlich stolz darauf, der Oheim einer solchen Nichte zu sein. Er erhob seine Stimme am allerlautesten, und es war in der Stube zu hören, daß er ein dreimaliges Hoch auf dieses so unerwartete Wiedersehen ausbrachte.
    Semawa aber trat zu Steinbach, der am Fenster stand und lächelnd auf die Freudenrufe hörte, schlang den Arm um ihn und sagte:
    „Mein Geliebter! Welch ein herrlicher, prächtiger Mann bist du! Es ist, als ob überall das Glück mit dir einkehre. Bist du nicht auch der Schöpfer dieser neuen Freude?“
    Er antwortete nicht, aber er drückte sie an sich und küßte sie auf die kirschroten Lippen.
    Da wurde leise die Tür zum Nebengemach geöffnet. Der Maharadscha erschien auf der Schwelle derselben. Aber als er die schöne Gruppe erblickte, zog er sich zurück und machte die Tür leise wieder zu, um draußen in die Knie niederzusinken, die Hände zu falten und innig folgende Worte zu stammeln:
    „Allah, ich danke dir! Er liebt sie! Er liebt mein Kind! Jetzt kann ich getrost und ohne Sorge in die Zukunft blicken. Mein Lebensabend wird nach so langen schweren Leiden ein heiterer und glücklicher sein!“

VIERTES KAPITEL
    Schloß Wiesenstein
    Schloß Wiesenstein ragt von einem hohen Granitfelsen so hoch empor, daß oft die Wolken um seine Zinnen streichen. Es blickt weit in das Land hinein, und wer, im Bahnzug sitzend, durch das Fenster die Gegend betrachtet, der bekommt es bereits eine Stunde, bevor der Zug Wiesenstein erreicht, von mehreren Seiten zu Gesicht, da die Bahn sich dem Ort in weiten Schlangenwindungen nähert.
    Schloß Wiesenstein ist der Lieblingsaufenthalt Prinz Oskars, des Bruders des Großherzogs. Doch war er seit längerer Zeit daselbst nicht gesehen worden. Es verlautet, daß er große Reisen nach dem Orient und Amerika gemacht habe und sich nun gegenwärtig in Rußland befinde, wo ihm der Kaiser in Anbetracht seiner hohen Geburt und seiner hervorragenden militärischen Fähigkeiten ein Gardekavallerieregiment verliehen hätte. Er stand dort und auch in der Heimat in dem Rang eines Generalleutnants und war den betreffenden Regimentern à la suite gestellt.
    Während der letzten Tage war dem Intendanten von Schloß Wiesenstein der großherzogliche Befehl zugegangen, die Räume desselben bereitzuhalten, da Prinz Oskar baldigst aus Rußland zurückkehren werde und dann beabsichtige, einige Wochen des heuer so wunderschönen Herbstes auf Wiesenstein zuzubringen.
    Das Schloß hatte seinen Namen von dem Felsen erhalten, auf dem es lag, und von den saftig-grünen Wiesen, die sich nach allen Seiten wie Buchten in den Gebirgswald hinein erstreckten.
    Da gab es eine wunderbar reine, heilkräftige und stärkende Luft. Dies und die romantische Lage des gleichnamigen Städtchens, das zum Schloß gehörte, zog im Sommer Gäste von nah und fern herbei. Wiesenstein war klimatischer Kurort geworden, und sein Ruf als Sommerfrische für die höheren Stände der Gesellschaft verbreitete sich mit jedem Tag weiter.
    Es war um die Mitte des Vormittags. Das Frühkonzert war längst vorüber, und die Badegäste hatten sich zumeist in die gemieteten Privatwohnungen zurückgezogen, um die Korrespondenz durchzugehen, sich einer kleinen anregenden Lektüre hinzugeben, oder, was die Damen betraf, sich für das zweite Frühstück, das im Kurhaus eingenommen zu werden pflegte, anzukleiden.
    Darum waren die Promenaden verhältnismäßig wenig belebt, und in den Restaurants war hier und da nur ein Habitué zu finden, der es vorzog, hier, wenn auch einsam, seine Zigarre zu rauchen, als sich daheim noch weit mehr zu langweilen.
    In einem der lichten Glaspavillons, von denen aus das Publikum den Konzerten zu lauschen pflegte, saßen zwei Herren. Der eine hatte sich bereits seit längerer Zeit wartend hier befunden, der andere war soeben erst gekommen.
    Der erstere war wohlbeleibt. Sein aufgeschwemmtes Gesicht wurde von einem dichten Vollbart eingerahmt, dessen tiefes Schwarz wohl mehr der Kunst als der Natur zu danken war. Allem Anschein nach hatte der Herr sehr viel und sehr rasch gelebt! Er sah aus wie einer, dessen Leidenschaften die Nerven zerrüttet haben.
    Seine Kleidung war elegant, von feinstem Stoff und neuestem Schnitt, schien ihn aber hier und da zu genieren, als ob er eigentlich eine andere Tracht gewöhnt sei. Die Finger steckten voller kostbarer Ringe,

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