54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
es versuchen. Verflucht, da werden wir gestört!“
Es trat ein dritter Gast ein, der sich schnell umblickte. Diese Umschau schien den vorhandenen Zeitungen zu gelten, denn er näherte sich dem Tisch, auf dem dieselben lagen, und setzte sich da nieder, eine Flasche Selters bestellend. Dieser Zeitungstisch stand gerade neben demjenigen, an dem die beiden anderen Männer saßen.
„Was nun?“ fragte der Dicke leise. „Kennen Sie den Kerl?“
„Nein. Habe ihn noch nicht gesehen.“
„Bedienen wir uns einer fremden Sprache. Sprechen Sie Türkisch?“
„Leider nicht. Bin in meinem ganzen Leben nicht in der Türkei gewesen. Ja, wenn Sie Russisch verständen!“
„Schön, schön! Ich spreche sehr gut Russisch. Aber falls dieser Kerl ein Russe ist?“
„Keine Sorge! Ich studiere täglich die Kurliste auf das genaueste. Es ist kein Russe hier, nicht einmal ein Pole, was zu verwundern ist. Zum Überfluß werde ich diesen Mann einmal fragen.“
Der Agent drehte sich um und warf eine Bemerkung in russischer Sprache hinüber zu dem Neuangekommenen. Dieser aber blickte in seine Zeitung und zuckte nicht mit einer Wimper.
„Sehen Sie! Der Mann versteht kein Wort. Wir können also unsere Unterhaltung ohne alle Befürchtung fortsetzen.“
„Schön! Ich bin beruhigt. Also wo waren wir im Gespräch stehengeblieben?“
„Bei Ihrem falschen Namen.“
„Richtig! Sie wollten genau wissen, wer ich bin, und gaben mir Ihr Ehrenwort, es zu verschweigen.“
„Ich wiederhole dieses Versprechen.“
„So will ich Ihnen sagen, daß ich gar nicht aus Kairo, nicht aus Ägypten bin. Ich wohne in Stambul, und man nennt mich Ibrahim Pascha.“
„Sehr viel Ehre!“ verneigte sich der Agent, als er diesen Titel hörte.
„Natürlich habe ich Sie hier nur Herr Ibrahim zu nennen?“
„Versteht sich von selbst.“
„So bitte ich um weitere Instruktionen, Herr Ibrahim.“
„Eigentlich müßte ich Ihnen eine lange, lange Geschichte erzählen, aber das nimmt mir zu viel Zeit weg. Treiben Sie gern Politik?“
„Mit besonderer Passion.“
„So interessieren Sie sich jedenfalls auch für die Personen der hervorragendsten Diplomatie Deutschlands. Haben Sie vielleicht einmal gehört, daß einer dieser Herren unter dem Namen Steinbach gereist sei?“
„Nein, niemals.“
Als der Name Steinbach genannt wurde, machte der neue Gast eine Bewegung, die von den beiden nicht bemerkt oder nicht beachtet wurde. Er wandte sich scheinbar in seine Zeitung vertieft, noch weiter ab, so daß sein Gesicht nicht gesehen werden konnte, und richtete nun seine gespannteste Aufmerksamkeit auf das Gespräch.
„Fatal!“ brummte der Pascha. „Ein deutscher Diplomat ist er sicher gewesen. Doch ich will weiter fragen. Ist Ihnen vielleicht der Name von Adlerhorst bekannt? Kennen Sie die Familie?“
„Ich hörte von ihr. Sie war da hinten an der Grenze begütert, ist aber seit beinahe zwei Jahrzehnten verschollen.“
„Das stimmt. Haben Sie nicht gehört, ob ein Glied dieser Familie wieder aufgetaucht ist? Diese Familie muß, wie es scheint, in England Verwandte besitzen?“
„Allerdings. Es ist das eine nach Großbritannien ausgewanderte Seitenlinie, welche aber den Namen noch fortführt, freilich in englischer Sprache. Ich kenne den Lord Eaglenest genau. Er kommt öfters im Herbst hierher, um einige Wochen dazubleiben, und ich habe gehört, daß er auch in diesem Jahr schon angesagt ist.“
„So bleibe ich so lange hier. Sind Sie auch mit den Künstlerkreisen vertraut? Gibt es hier einen deutschen Maler, der Normann heißt, ich glaube Paul Normann?“
„Kenne ich nicht.“
„Das ist dumm!“ bemerkte der Pascha. „Nach dem Porträt zu urteilen, das ich in Konstantinopel von ihm gesehen habe, muß er ein sehr bedeutender Künstler sein, so daß ich annahm, daß Sie seinen Namen kennen würden.“
„Sind die genannten Personen diejenigen, die Sie suchen?“
„Eigentlich nicht. Sie stehen nur in näherer Beziehung zu den Gesuchten.“
„So bitte ich, mir die Hauptpersonen zu nennen!“
„Das sind zwei Damen, und zwar meine Frauen, die mir geraubt wurden.“
Da schlug der Agent mit der Faust auf den Tisch und rief im höchsten Grad verwundert:
„Donnerwetter! Das ist ja hochinteressant! Ich habe schon sehr eigenartige Aufträge erhalten, so einen aber noch nie. Ich soll zwei Frauen, die in Konstantinopel aus dem Harem entführt worden sind, hier in Deutschland suchen und sie durch irgendeine List oder auch durch irgendeine
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