54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
nicht auf dieselbe.
Schubert betrachtete zunächst sein reizendes Gegenüber genauer, doch ohne aus den Grenzen des Anstandes herauszutreten. Sie war wirklich reizend. Sie hatte sich des einen Handschuhs entledigt und ließ nun ein kleines schneeweißes Händchen sehen, dessen rosige Nägel aus Blütenduft geformt zu sein schienen. Das Gesicht war weich und doch geistreich. Ihm war anzusehen, daß die schöne Dame gewöhnt war, nachzudenken und selbständig zu handeln.
Sie sah, daß er sie betrachtete, machte aber keine Bewegung, irgendeinen Teil ihrer Gestalt seinen Blicken zu entziehen.
Das gefiel ihm. Sie war nicht prüde. Er hatte das, was er jetzt fühlte, noch niemals beim Anblick einer Dame empfunden und geriet immer mehr in die Netze der schlauen Geheimagentin.
Endlich schnitt sie die Galanterien, in denen Schubert sich ihr gegenüber erschöpfte, damit ab, daß sie das Gespräch auf die Nachbarsleute ihrer Tante, auf die Familie des Malers Normann, lenkte.
„Wie finden Sie diese Herrschaften?“ fragte sie unbefangen.
„Ich habe noch nicht Gelegenheit gehabt, mir über sie ein Urteil bilden zu können“, entgegnete er. „Verkehren Sie etwa mit ihnen?“
„Sooft ich mich in Wiesenstein befinde. Übrigens habe ich mich nicht etwa an sie gedrängt, sondern sie haben mich eingeladen, über den Zaun herüber, wissen Sie, so recht nachbarlich.“
„Das ist ja reizend!“
„Aber ich bin ihnen keineswegs dankbar dafür, denn nun bin ich gezwungen, sie fast täglich zu besuchen.“
„Ah, Sie verkehren mit ihnen? Das ist mir interessant!“
„Warum?“
„Davon vielleicht später einmal. Sind diese Leute nur höflich mit Ihnen, oder ist der Verkehr ein herzlicher, ein freundschaftlicher?“
„Von ihrer Seite allerdings, nicht aber von der meinigen.“
„Warum? Hat man Sie etwa beleidigt?“
„Sehr!“
„Womit?“
Jetzt ahmte sie ihn nach, indem sie antwortete:
„Davon vielleicht später. Übrigens hätte ich die Beleidigung vielleicht verziehen, aber ich passe nicht zu ihnen. Sie sind stolz, kalt und prätentiös, während ich ein offenes und heiteres Temperament besitze, mich gern unterhalte und einem jeden Ding die gute, die lichte Seite abzugewinnen suche. Da fühle ich mich bei den Normanns wie in einer Klosterzelle; es friert mich im Gemüte, und ich reiße aus, sobald es mir möglich ist.“
„Woher stammt denn wohl dieser Maler eigentlich?“
„Das weiß ich nicht.“
„Und seine Frau?“
„Ist eine Deutsche.“
„Ich glaube, das Gegenteil gehört zu haben.“
„So hat man Sie falsch berichtet.“
„Schwerlich! Wissen Sie, wir von der Polizei, wenn wir auch bereits a.D. schreiben, haben doch noch unsere scharfen Augen und Ohren!“
„Hm! Ich weiß kein Wort.“
„Auch über die Freundin nicht, die mit dort wohnt, ich glaube sie heißt Zykyma?“
„Nun sie stammt ebenfalls aus Deutschland.“
„O nein!“
„Nicht? Man hat mir aber doch so gesagt!“
„So hat man Sie belogen!“
Ihre Augen leuchteten zornig auf.
„Das wäre ja niederträchtig!“
„Gewiß! Wissen Sie, wie die Frau Normann heißt!“
„Tschita.“
„Richtig! Und wissen Sie auch, was für ein Name das ist, welcher Sprache er angehört?“
„Nun?“
„Es ist ein türkischer. Und Zykyma ist ebenso türkisch. Diese beiden Damen sind Türkinnen, und Normann schämt sich, dies zu sagen.“
„Herr, Sie setzen mich in das allergrößte Erstaunen! Sie müssen sich irren.“
Sie machte ein ganz betroffenes Gesicht, schlug die kleinen Händchen zusammen und rief: „Türkinnen! Ist's die Möglichkeit! Woher wissen Sie das?“
„Aus einer sehr guten Quelle.“
„Darf man dieselbe erfahren?“
„Geduld, Geduld! So schnell eilt man nicht.“
„Wer soll da Geduld haben, wenn man so Außerordentliches zu hören bekommt! Und mir haben sie es verschwiegen! Mich haben sie belogen!“
„Ja, schändlich belogen“, stimmte er bei, denn es lag ihm sehr daran, ihren Zorn möglichst zu steigern. „Aber noch wissen Sie nicht alles. Man getraut sich allerdings kaum, es zu sagen.“
Die Dame rückte wie elektrisiert auf ihrem Sitz hin und her. Ihre Augen glänzten vor Begierde. „Heraus damit!“ bat sie.
„Versprechen Sie, zu schweigen?“
„Ja, hier meine Hand darauf.“
Sie schlugen ein. Nun fuhr er leise fort:
„So will ich Ihnen sagen, daß Tschita und Zykyma bereits verheiratet waren.“
„Herrgott!“
„Ja, sie waren verheiratet. Sie sind aber
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