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54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

Titel: 54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und stets in einiger Entfernung hinter ihm zu halten, wo er auch halten lasse, doch so, daß es nicht auffallen könne.
    So folgte sie ihm überall hin, zu einigen Friseuren und in mehrere Wäsche- und Konfektionsgeschäfte.
    Schubert schien es sehr eilig zu haben. Er wollte bereits mit dem nächsten Zug zurück, denn er hatte ja so viele Vorbereitungen zu treffen und noch im Laufe des Vormittags nach der erwähnten Meierei zu gehen, um dort dem verkleideten Derwisch ein Logis zu mieten.
    Als er seine Einkäufe gemacht hatte, fuhr er direkt nach dem Bahnhof, obgleich er bis zum Abgang des Zugs mehr als eine halbe Stunde Zeit hatte. Die Dame fuhr hinter ihm her. Während er noch mit den eingekauften Paketen zu tun hatte, stieg sie aus, bezahlte den Kutscher, gebot ihm Schweigen, welchem Befehl sie durch ein gutes Trinkgeld Nachdruck gab, löste sich ein Billet zweiter Klasse und trat in den Wartesalon dieser Klasse ein.
    Bald kam auch der Agent herein, gefolgt von dem Kutscher, der ihm die Effekten nachtrug.
    Die Dame tat, als ob sie ihm keine Aufmerksamkeit schenkte, beobachtete ihn aber nichtsdestoweniger sehr genau.
    Sie war in dergleichen allerdings nicht unerfahren, denn sie war die Schwester jenes Geheimpolizisten, der sich gestern für den Getreidehändler Weber ausgegeben hatte, und war von demselben oft benutzt worden, geheime Aufträge auszuführen, die in die Hand einer Dame gelegt werden mußten.
    Als der Agent den Kutscher abgelohnt hatte, sah er sich im Saal um. Er erblickte die Dame und beobachtete sie. Sie war jung, schön, vornehm und, wie es schien, wohlhabend. Für solche Damen pflegt ein Agent sich zu interessieren. Darum sah er sie daraufhin an, ob er es wohl wagen könne, ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen.
    Sie schien ihm jetzt auch einige Aufmerksamkeit zu widmen, allerdings mit der nötigen weiblichen Zurückhaltung. Er sah, daß sie sich langweilte. Das ließ ihn hoffen, daß sie eine höfliche Anfrage seinerseits wohl nicht streng zurückweisen werde.
    Er stand auf und wanderte langsam im Saal auf und ab wie einer, dem die Zeit sehr lang wird. Sie merkte seine Absicht sehr wohl, sie hegte ja ganz dieselbe, sie wollte womöglich in einem und demselben Coupé mit ihm fahren. Um ihm die Annäherung zu erleichtern, wartete sie, bis er abermals an ihr vorüberschritt, und stieß dann scheinbar aus Versehen ihren Schirm um, der am Stuhl lehnte. Sofort sprang er herbei und bückte sich, denselben aufzuheben und ihr darzureichen.
    Sie bedankte sich natürlich auf das allerhöflichste, und nun hatte er Veranlassung, von ihr keine Zurückweisung zu erwarten.
    Er nannte seinen Namen und Stand, und nachdem er zu seiner freudigen Überraschung erfahren, daß sie auch nach Wiesenstein fahren wolle, um eine Tante zu besuchen, die Frau Berthold heiße und in der Schiller Straße wohne, die also niemand anders war als seine Wirtin, bat er, ihr auf der Reise Gesellschaft leisten zu dürfen.
    Kaum hatte sie ihm seine Bitte mit einem freundlichen Lächeln gewährt, so gab die Perronglocke das Zeichen, daß der Zug im Herannahen sei.
    Er winkte nun einen der Kofferträger herbei, der ihm die Pakete nach dem Coupé tragen sollte, und gab dann der Dame den Arm, um sie hinauszuführen. Sie nahm diese Gefälligkeit als etwas Selbstverständliches an.
    Der Zug war ein durchgehender; er kam von weit her. Viele stiegen aus und viele ein. Der Agent wünschte ein unbesetztes Coupé, erhielt aber von dem Schaffner den Bescheid, daß kein solches vorhanden sei; ein einziges sei nur von einer Dame besetzt. Schubert erklärte sich bereit, dasselbe zu nehmen.
    Die betreffende Dame war nicht mehr zu jung. Sie hatte wohl die vierzig überschritten und war sehr anständig, aber nicht gerade elegant gekleidet. Die vielen Handgepäckstücke, die sie bei sich hatte, ließen vermuten, daß sie weit herkomme.
    Der Agent grüßte sie gar nicht. Er ärgerte sich darüber, mit seiner neuen Bekanntschaft nicht allein sein zu können. Diese letztere nickte der anderen herablassend zu und nahm Schubert gegenüber Platz.
    Als der Zug sich nun in Bewegung setzte, beeilte sich der Letztgenannte, die unterbrochene Unterhaltung wieder anzuknüpfen, und seine Stimmung wurde eine immer bessere, als er bemerkte, daß die erste Passagierin ihnen gar keine Aufmerksamkeit schenkte und sich nur damit unterhielt, die scheinbar vorüberfliegende Gegend zu betrachten. Von ihr war keine Störung der Unterhaltung zu befürchten. Sie hörte vielleicht gar

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