54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
hinein, und der Derwisch machte die Tür hinter ihr zu.
„Ah!“ meinte Zykyma. „Ist es notwendig, daß die Tür zugemacht und verriegelt wird?“
„Ja, zum vollständigen Gelingen des Experimentes. Die Tür muß ganz luftdicht schließen. Meinen Sie etwa, daß ich Sie nicht wieder herauslasse?“
Der Schurke fragte das höhnisch. Jetzt hatte er ja eine von den Damen fest; mit der anderen würde er auf alle Fälle fertig werden.
„Fast scheint es so“, antwortete Zykyma.
„Ah! Wie kommen Sie auf diesen argen Gedanken?“
„Ihr ganzes Gehaben kommt mir verdächtig vor. Eine so feingekleidete Dame soll die Verwandte eines einfachen, alten Ruinenwächters sein! Eine ganze Haremseinrichtung soll sich in dem alten, feuchten Gemäuer befinden! Und dann dieses Märchen von dem Liebespaar in den Verliesen!“
„Ich versichere, daß es die Wahrheit ist und begreife nicht, wie Sie auf solche Gedanken kommen können!“
„Nicht? Nun, meinetwegen! Also will ich eintreten und – flüstern!“
Zykyma gab dem letzteren Wort einen eigentümlichen, spöttischen Ton und fügte hinzu:
„Wenn ich flüstere, hört es also meine Freundin. Und ich glaube, wenn ich rufe, so hört man es in der Stadt. Wollen es versuchen.“
„Ja, versuchen Sie es!“ lachte er höhnisch auf, indem er die Tür hinter ihr zuschlug und die Riegel vorschob.
Dann lauschte er. Drinnen blieb alles ruhig. Jetzt machte er die Klappe auf und leuchtete hinein. Da lehnte Zykyma an der gegenüberliegenden Wand und blickte ihn ernst und furchtlos an.
„Nun, flüstern Sie?“ fragte er.
„Nein“, antwortete sie ruhig.
„Aber da hört doch Frau Normann nichts!“
„Meine Freundin braucht nichts zu hören.“
„Nicht? Ah, warum?“
„Sie weiß schon alles.“
Das sagte Zykyma in einem Ton, der ihn stutzig machte. Darum fragte er:
„So, was weiß sie denn?“
„Mit wem wir es zu tun haben.“
„Ah! Donnerwetter! Das wäre – Nun, wer bin ich denn?“
„Ein Scheusal bist du, Halunke! Denkst du, wir haben dich nicht erkannt? Du bist Osman, der Derwisch.“
Das kam ihm doch so unerwartet, daß er von der Klappe zurückfuhr. Aber nur für einen Augenblick, denn er war gleich wieder da und rief hinein:
„Was? Ihr wißt es, wer ich bin? Und dennoch habt ihr euch einschließen lassen?“
„Weil wir an die Akustik dieser Verliese glauben. Ich habe es bereits gesagt. Wenn wir hier nach Hilfe rufen, hört man es in der Stadt.“
Da schlug der Derwisch ein gellendes Gelächter an.
„Das ist göttlich! In der Stadt! Hoffentlich kommen da alle eure Seladons gleich herbeigerannt, um euch zu befreien?“
„Allerdings.“
„Und dieser Steinbach an ihrer Spitze?“
„Er voran, wie immer!“
Der Derwisch sah Zykyma staunend an. Er hatte erwartet, daß sie in Jammern und Wehklagen ausbrechen werde, und hörte nun gerade das Gegenteil.
„Weib, Mädchen!“ rief er. „Meinst du, ich mache mir einen Spaß mit euch? Bilde dir nur ja nicht ein, daß du nur für einen Augenblick eingeschlossen bist! Du bleibst so lange hier, bis der Pascha kommt, dich nach Konstantinopel zu schaffen, dich und Tschita mit.“
„Das mag er sich nicht träumen lassen! Meine Freunde werden kommen!“
„Ja, sie werden kommen. Wir wünschen das sogar; wir wünschen es so sehnlichst, daß wir sie sogar herbeiholen werden, aber um Rache an ihnen zunehmen.“
„Mensch, du befindest dich nicht in der Türkei. Gegenüber Männern, wie Steinbach einer ist, bist du verloren! Du wirst dich vor ihnen im Staub krümmen und um Gnade betteln!“
„Oder sie vor mir, und zwar vielleicht heute noch. Weißt du, welches Schicksal ihrer harrt? Sie werden in den turmtiefen Brunnen dieses Schlosses geworfen. Sie werden in der Tiefe elend zerschmettert werden, alle, alle! Du aber wirst nach Konstantinopel geschafft und die elendeste Sklavin der armseligsten Sklavinnen sein!“
„Phantasiere immer! Die Täuschung, in der sich deine höllische Seele befindet, wird gar bald weichen. Ich antworte dir nicht mehr.“
Zykyma schlug die Arme über der Brust zusammen und wandte sich von ihm ab. Er sprach noch mehrere Male auf sie ein; da sie aber schwieg, so warf er ihr einige grimmige Flüche zu und verschloß die Klappe.
Jetzt begab er sich zu Tschita. Als er das Loch öffnete, lehnte sie ebenso wie vorher Zykyma an der Wand. Auch hier streckte er die Laterne hinein, um sie anzuleuchten und fragte:
„Nun, hast du etwas gehört?“
„Ja“, antwortete sie. „Deine
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